Jesus kommt bald wieder

Vorsicht bitte, dieser Text kann für manche Menschen konfrontativ sein. Ich skizziere hier einige Gedanken zum Thema Jesus und Christentum. Es ist gut möglich, dass Christen, die diesen Text lesen, dabei feststellen, dass ihre religiösen Gefühle verletzt werden.

 

Meine Erfahrung ist:

 

1

Wenn Christen irgendwas von sich geben, werden dabei beinahe immer meine aufgeklärten Gefühle verletzt. (Siehe Immanuel Kant: „Was ist Aufklärung?“).

 

2

Den Christen ist das jedoch vollkommen gleichgültig – wenn sie’s überhaupt zur Kenntnis nehmen.

 

Meiner Meinung nach ist das aber kein Grund, es umgekehrt auch so zu tun. Deshalb setze ich diese Warnung vor den Text:

Vorsicht bitte, dieser Text kann Ihre religiösen Gefühle verletzen. Lesen Sie ihn nur, wenn sie keine haben oder sicher sind, dass sie damit gut umgehen können.

 

 

***

Er ist der Messias. Und ich muss es wissen, denn ich bin schon einigen gefolgt!

 

 Zitiert nach einem Film, den unsere Kleinen sehr schätzen.

***

 

 

„Jesus kommt bald wieder!“

So stand es auf einem kleinen Aufkleber, den wir letztens bei einem Spaziergang sahen:

„Jesus kommt bald wieder! Bist du bereit?“

 

Unsere Kleinen lachten herzlich, als sie das lasen:

Ja, sicher. Jesus kommt wieder. Bald. Aber selbstverständlich! Seit beinahe 2.000 Jahren erzählen sich die Leute das. Seit fast 80 Generationen. Manche Menschen lernen aus Erfahrung und Geschichte, andere eher nicht. Und manche interpretieren den zeitlichen Rahmen, der durch das Wort „bald“ abgesteckt wird, etwas großzügiger als andere. Ich gehe bald Milch holen – warte bitte mindestens zweitausend Jahre.

 

Aber dann dachten wir etwas intensiver über dieses Szenario nach. Wenn Jesus tatsächlich wiederkäme - wie wäre das, und wären wir dann bereit?

 

Jesus hätte vermutlich eine starke Präsenz in den (a)sozialen Medien. Einen eigenen YouTube-Kanal. Er wäre vermutlich omnipräsent: Gesichtsbuch, Instagram, Telegram, Milligramm, Mastodon, Pinguin, tic tac toe, Schnick-Schnack-Schnuck und wie dieses Zeug heißt.

 

Und da würde er sich auslassen und verbreiten:

 

Ein herumwandernder Prediger. Ein Hungerleider. Ein Bettelmönch.

 

Einer, der nie eine Familie gegründet hat und daher gar nicht wissen kann, wie das ist, wenn einen die Sorgen um die Kinder umtreiben und wie schwer es sein kann, für so eine Familie zu sorgen.

 

Einer, der nie ein Feld bestellt hat und daher gar nicht wissen kann, wie das ist, wenn man nur hoffen kann, dass es etwas zu ernten gibt.

 

Einer, der nie in einer längeren Beziehung gelebt hat und daher nichts darüber sagen kann, wie man eine Beziehung so lebt, dass sie auch langfristig wächst und gedeiht.

 

Einer, der nie Verantwortung für ein Unternehmen und für Mitarbeiter hatte und daher gar nicht wissen kann, wie schwer diese Verantwortung drücken kann.

 

Und so weiter.

 

Also – von so ziemlich nichts eine Ahnung, dafür aber extrem belesen, ziemlich meinungsfest und extrem mitteilungs- und missionsfreudig.

 

Er würde Jünger um sich scharen. Und politisch korrekt vermutlich auch ein paar Jüngerinnen und Jüngdiverse. Er würde jede Menge Predigten halten, um die Menschen zur Umkehr aufzurufen und sie auf das nahe Weltenende vorzubereiten. Diese Predigten würde er auf den (a)sozialen Medien hochladen und jede Menge Likes und Kommentare erhalten.

 

Und mit seinem Gott hätte er es. Davon würde er ganz viel erzählen. Von seinem Gott und dem nahenden Weltende. Er und sein direkter Draht zu diesem Gott, und was dieser Gott ihm alles mitgeteilt hat. Das würde er alles in Gleichnisse und knackige Sentenzen verpacken und auf diese Weise unters Volk bringen.

 

Nach einiger Zeit würde man ihn vermutlich in irgendwelche Talkshows einladen, wo er von den üblichen Berufspöblern und Meinungsaktivisten ins Kreuzverhör genommen würde. Da würde er dann mit sanfter aber fester Stimme weise Worte von sich geben.

 

Vielleicht würde er auch seine eigene Fernsehshow bekommen oder ein eigenes Format in Spartensendern wie BibelTV oder so.

 

 

Er würde vermutlich kein Wort darüber verlieren,

 

·           dass man Menschen nicht versklaven darf.

·           dass alle Menschen gleich wertvoll und gleichberechtigt sind – egal welche Religion, welches Geschlecht, welche Hautfarbe etc.

·           dass Kinder Menschen sind und daher nicht geschlagen oder sonstwie gedemütigt werden dürfen.

·           dass man andere mit Argumenten überzeugt und nicht mit Gewalt.

·           dass nicht Gott die Wahrheit ist, sondern die Wahrheit Gott.

·           dass eine Religion, die dazu führt, dass Menschen einander hassen oder Gewalt antun, nichts wert ist.

·           dass eine Religion, die das klare Denken einschränkt oder verbietet, ebenfalls nichts wert ist.

·           dass die einzige Missionsform, die zulässig ist, das eigene Leben ist.

·           dass alle Menschen gut sind, und jedes Gerede über „Erbsünde“, und dergleichen daher der reine Quatsch ist.

·           dass es keine bösen Menschen gibt, sondern allenfalls böses Verhalten.

·           dass Körper und Seele unbedingt zusammengehören – dass es den Körper schädigt, wenn die Seele Schaden nimmt und umgekehrt.

·           Und so weiter

 

Hat er damals kein Wort drüber verloren, warum sollte er es diesmal tun?

Und überhaupt: Wie gut ist eine „Gute Nachricht“, wenn sie lautet, dass manche Menschen in den Himmel kommen und manche nicht?!

Wenn nicht alle Menschen in den Himmel kommen, dann wollen wir mit dieser „guten“ Nachricht nichts zu tun haben – entweder alle oder keiner.

 

Er würde von seinem rachsüchtigen, psychopathischen, psychisch sehr labilen und sadistischen Gott erzählen und das als Liebe verkaufen. Er würde Menschen finden, die ihm das bereitwillig glauben. Nach unserer Erfahrung lassen sich für buchstäblich jeden Quatsch Gläubige finden. Eine Botschaft oder Meinung kann gar nicht so abstrus sein, dass es nicht gelingt, daraus eine Religion zu machen und massenhaft Gläubige zu finden.

 

 

So ungefähr haben wir uns das überlegt, als wir unseren Spaziergang fortsetzten.

Und dann dachten wir:

„Das gibt es doch schon alles!“

 

Die (a)sozialen Medien sind voll mit Religionsschwurblern und Leuten, die beinahe täglich mit dem lieben Gott konferieren und das lauthals in die Welt hinaustragen. Leute, die beinahe täglich die Gräben zwischen Menschen vertiefen und dafür sorgen, dass der Unfrieden am Leben gehalten wird. Leute, die vor lauter Weltuntergang gar nicht mehr dazu kommen zu leben, weil sie davon ausgehen, dass nach spätestens zwei Jahren sowieso alles vorbei ist.

 

Nach allem, was wir wissen, sind derzeit dutzende, vielleicht sogar hunderte Jesusse aktiv, die meisten davon in den USA. Aber es werden sich sicherlich auch auf den anderen Kontinenten welche finden lassen. (So wissen wir zum Beispiel von einem sehr aktiven Jesus in Wiesbaden, der da schon seit vielen Jahren sein Unwesen treibt). Da kann sich also heute schon jeder seinen Lieblingsjesus aussuchen.

 

Wir lassen sie machen und leben derweil unser kleines Leben weiter.

Und wenn du uns sagst:

„Jesus kommt bald wieder! Bist du bereit?“, dann können wir dir ganz klar und sicher antworten:

 

Es gibt so viele religiöse Spinner.

Es gibt so viele Jesusse.

Da kommt es auf einen mehr oder weniger auch nicht an.

 

Ja, wir sind bereit.

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Halluzinogen (Sonntag, 28 Mai 2023 04:19)

    Ist das jetzt so eine Art gegenpredigt des wanderpredigerers Stiller gegen den wanderpredigerer Jesus? Bin Agnostiker. Eben deshalb frage ich. Ich meinerseits glaube nicht daran, ausser ich sehe einen wieder aufstehen, dem mit der Schrotflinte in den Kopf geschossen wurde. Größten Respekt in diesem Fall! Unwahrscheinlich. Aber ein Problem habe ich nicht damit.

  • #2

    Sven (Montag, 29 Mai 2023 19:36)

    Nach der Triggerwarnung habe ich ja echt überlegt, ob ich aufs X klicken soll. Die Neugierde siegte nun doch. Und - ich habs überstanden, so schlimm wars nicht ;) Aber wenn du schreibst: Er würde vermutlich kein Wort darüber verlieren´, dass... so muss man sagen, dass Jesus all das damals schon sagte und sicher auch wieder sagen würde.