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Entscheidung 02 – Endgültig

Ich neige dazu, schnell und sicher zu entscheiden. Das war schon immer so. Wenn ich entschieden habe, dann habe ich entschieden. Dann bleibt das so bis in alle Ewigkeit oder bis ich Informationen bekomme, die meine Einschätzung der Lage entscheidend ändern.

 

Dabei scheue ich auch nicht vor schwierigen oder weitreichenden Entscheidungen zurück.

 

Seit einiger Zeit habe ich die Ehre, einen Autisten als Coach zu begleiten. Er spricht von seinem Vater nur als „mein Erzeuger“. Ich weiß nicht, warum er das tut, aber er wird gute Gründe haben.

Er schilderte mir, wie er als junger Erwachsener von zuhause auszog und dabei seinem Erzeuger in einem kurzen Gespräch mitteilte, dass er nie wieder Kontakt mit ihm haben würde. Diese Art zu entscheiden und die Entscheidung mitzuteilen, ist mir sehr vertraut. Wenn ich dir sage, dass unsere Beziehung oder unser Kontakt beendet ist, dann ist das beendet. Da gibt es nichts zu diskutieren. Warum sollte ich mit dir diskutieren, wenn du doch nichts vorbringen kannst, was diese Entscheidung ändern würde?

 

Die NTs, die ich kenne, sind regelmäßig schockiert, wenn sie mitbekommen, mit welcher kristallinen Härte ich solche Entscheidungen fälle und durchziehe. Sie versuchen dann oft, gegen diese Entscheidung zu argumentieren, indem sie mir schildern, wer sich auf welche Weise schlecht fühlt bei dieser Entscheidung. Und dass ich das doch noch dies und das und jenes bedenken solle.

 

Offenbar ist diesen NTs nicht bewusst:

 

a)  Ich habe bedacht. Ich habe lange, gründlich und intensiv bedacht, bevor ich diese Entscheidung traf. Manchmal brauche ich nur eine Sekunde für diesen Prozess (Link zum Text „Die Sekunde“). Aber das ist dann auch ok.

b)  Wer sich bei meiner Entscheidung wie fühlt, das habe ich in dem Maße berücksichtigt, wie es nach Lage der Dinge notwendig bzw. möglich war. Es ist mir nicht egal, wie Menschen sich fühlen, die von meiner Entscheidung betroffen sind, aber fast immer ist das nicht ausschlaggebend.

 

Und wenn ich entschieden habe, dann kannst du so ziemlich machen, was du willst – diese Entscheidung steht. Bis in alle Ewigkeit. Natürlich kannst du mich mit Waffen bedrohen oder mich in einen Folterkeller stecken. Aber wenn wir diese Extreme mal außen vor lassen: Wenn ich entschieden habe, dann habe ich entschieden. Dann ist das endgültig. Wenn du willst, dass ich meine Entscheidung revidiere, dann bringe mir Argumente, die ich bislang nicht kenne oder nicht angemessen gewichtet habe. Aber erzähle mir nicht, dass du oder jemand anders sich schlecht fühlt bei meiner Entscheidung. Ich habe sie nicht dafür gefällt, dass du dich irgendwie fühlst. Ich habe sie gefällt, um ein bestimmtes Problem zu lösen.

 

Der Autist, den ich als Coach begleite, schilderte mir, wie ihm sein Erzeuger regelmäßig Postkarten zum Geburtstag schickt oder in Gesprächen mit Familienmitgliedern immer wieder betont, wie gut und wichtig es wäre, wenn sie (der Autist und sein Erzeuger) sich mal richtig aussprechen würde. Ich bin nicht dieser Autist. Aber ich kann dir versichern:

Das ist entschieden. Es gibt hier nichts mehr zu bereden.

 

Mit der Frau, mit der ich de jure verheiratet bin, bin ich seit weit über dreißig Jahren zusammen. Schon in den ersten Wochen unserer Beziehung entschied ich, dass ich ihre Eltern niemals kennenlernen würde. Der Grund war, dass diese Frau ähnlich geschädigt war wie ich. Aber ihre Eltern waren sich keiner Schuld bewusst. Ich sagte zu meiner Freundin:

„Wenn ich deine Eltern kennenlerne, dann nur unter der Bedingung, dass wir am Anfang thematisieren, was sie mit dir gemacht haben, als du ein Kind warst. Ich will wissen, was damals gewesen ist und wie sie heute dazu stehen.“

Die Eltern lehnten ab. Das war ihr gutes Recht. Na, dann eben nicht. Also: Kein Kontakt.

 

Die Frau, mit der ich de jure verheiratet bin, ist NT. Sie hatte daher ihre Schwierigkeiten mit dieser Entscheidung. Aber das war egal – ich hatte entschieden.

Sie versuchte es mit Erpressen. Sie versuchte es mit Reinlegen. Sie versuchte es mit schönen Augen, mit Tränen und mit guten Worten. (Und was hat diese Frau auf mich eingeredet!) Ich glaube, sie hat mir sogar mal Geld angeboten. Und bei Geld kann ich schon mal schwach werden. Ich bin ziemlich bestechlich. Aber vermutlich war die Summe einfach zu niedrig.

 

Also war es entschieden:

Kein Kontakt mit den Schwiegereltern.

In den mehr als zehn Jahren bis zur Lageänderung (nächster Absatz) hatte ich nicht eine einzige Sekunde Kontakt mit den Schwiegereltern. Und selbstverständlich waren sie auch nicht zu unserer Hochzeit eingeladen. Sie haben das sehr bedauert, ich nicht.

 

Die Lage änderte sich, als unsere Kinder auf die Welt kamen. Ich wollte die Kinder nicht in diesen Konflikt reinziehen. Also beschloss ich, die Schwiegereltern – insbesondere den Schwiegervater – nur in dem Maße zu kontaktieren, in dem es unbedingt notwendig war. Der Vater der Frau, mit der ich de jure verheiratet bin, ist jetzt schon ein paar Jahre tot. In all den Jahrzehnten haben wir maximal 45 Minuten Kontakt miteinander gehabt.

 

Wenn ich entschieden habe, dann habe ich entschieden. Diese Entscheidung gilt bis in alle Ewigkeit oder bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich Informationen bekomme, die meine Einschätzung der Lage ändern. Wie du dich als NT mit dieser Entscheidung fühlst, ist zwar wichtig. Aber es ist keine Information, die die Lage ändert.

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Peter (Dienstag, 01 November 2022 08:00)

    Da stimme ich zu: Geld ist immer ein Argument. Wie gut hängt davon ab, wie viel!
    Hilft für Entscheidungen in beide Richtungen!