Ich neige dazu, schnell und sicher zu entscheiden. Das war schon immer so. Dass ich vor einer Entscheidung zaudere oder nach der Entscheidung alles wieder umschmeiße, kommt sehr selten vor.
Ich muss mich in aller Regel auch nicht anstrengen, wenn ich mich entscheide. Eine Entscheidung ist für mich ein einfacher, logischer Vorgang: Ich werde mir klar, was das Ziel ist, die vorliegenden Informationen werden geprüft und gewichtet. Und dann wird entschieden und fertig. Da mach‘ ich kein Aufhebens drum, das ist mühelos.
Ich entscheide auch sehr sicher in Situationen, wo die Informationen schrecklich unvollständig sind. Solche Situationen sind in meinem Leben sehr häufig. Aber wenn ich im Moment nicht mehr Informationen bekommen kann, und die Entscheidung nicht vertagt werden kann, dann entscheide ich jetzt. Und wenn die Entscheidung sich im Nachhinein als schlecht oder falsch herausstellt, dann ist das eben so. Dann lerne ich daraus und mache es beim nächsten Mal besser.
Und wenn ich feststelle, dass ich es zum jetzigen Zeitpunkt nicht verantworten kann, eine Entscheidung zu treffen, weil die möglichen Folgen zu schwerwiegend sind und die aktuelle Datenlage einfach nicht ausreicht, dann entscheide ich sehr schnell und sehr sicher, dass ich das jetzt nicht entscheide. Auch das kommt vor. Aber ich zaudere dann nicht rum, sondern entscheide, dass ich das jetzt nicht entscheide.
Das ausschlaggebende dabei ist: Wenn ich entschieden habe, dann habe ich entschieden. Da kann Zeus Blitze vom Himmel schmeißen und Thor drohend seinen Hammer kreisen lassen, das ist mir egal.
Es kam bei meiner Arbeit immer wieder vor, dass ich in Großprojekten von lauter Leuten umgeben war, die hierarchisch weit über mir standen und ich als Projektleiter irgendwas entscheiden sollte. Und oft genug habe ich gesagt:
„Das kann ich nicht verantworten. Das entscheide ich jetzt nicht.“
„Aber der Vorstand braucht Ihre Entscheidung jetzt!“
„Das nehme ich gerührt zur Kenntnis. Meine Entscheidung ist, dass ich das jetzt nicht entscheide. Das können Sie dem Vorstand so mitteilen.“
„Aber der Vorstand …“
„Hören Sie mal – ich bin hier, weil ich die Verantwortung trage. Wenn Sie einen finden, der das besser kann als ich, dann nehmen Sie den. Aber solange ich hier die Verantwortung trage und sage, dass ich das nicht entscheide, solange ist das nicht entschieden. Das ist mein letztes Wort. Und wenn dem Vorstand das nicht gefällt, dann soll er sich rühren und das selber entscheiden. Er hat die Macht dazu.“
„Das wird Folgen haben!“
„Das hoffe ich. So – nächster Tagesordnungspunkt. Wir haben hier noch eine Menge zu tun.“
Und natürlich kam es oft genug vor, dass ich als Projektleiter Entscheidungen fällte, die dem Vorstand oder anderen Hierarchen nicht passten. Aber das war mir egal. Ich war als Projektleiter nicht mit dem Auftrag angetreten, mich beliebt zu machen oder zu tun, was andere von mir wollten. Ich war mit dem Auftrag angetreten, bestimmte Dinge zu erreichen und durchzusetzen. Und wenn ich entschieden habe, dann habe ich entschieden. Ich mach‘ das ja nicht nach Lust und Laune oder aus dem hohlen Bauch heraus (Sprachbild), sondern nach eingehender Prüfung aller vorliegenden Informationen. Dass ich diese Informationen deutlich schneller prüfe, bewerte und gewichte als viele andere Menschen, führt oft zu dem Eindruck, dass ich spontan oder wahllos entscheide.
Aber das ist nicht so.
Viele Menschen, die mich umgeben, entscheiden nicht so schnell und so sicher wie ich.
Wenn mich andere dadurch blockieren, dass sie sich nicht entscheiden wollen, dann lasse ich mir was einfallen. Das gilt privat wie beruflich.
Beruflich:
Gefürchtet und berüchtigt waren die Mails, die ich als Projektleiter an Hierarchen schrieb, die versuchten, sich vor Entscheidungen zu drücken:
„Ich brauche von Ihnen eine Entscheidung in dieser Sache bis zum [Datum]. Wenn ich bis dahin keine Rückmeldung von Ihnen habe, entscheide ich in Ihrem vermuteten Sinne.“
Verstecken gilt nicht.
Privat:
Die Frau, mit der ich de jure verheiratet bin, neigt immer wieder dazu, eher nicht zu entscheiden. Da gab’s zum Beispiel vor einigen Jahren die Situation, dass wir in den Sommerurlaub fahren wollten. Die ganze Familie hatte zwei Wochen in den Bergen gebucht. Als die Zeit kam, dass wir losfahren mussten, hatte ich gepackt und war bereit. Unsere beiden Töchter hatten gepackt und waren bereit. Die Frau, mit der ich de jure verheiratet bin, saß hilflos vor ihrem geöffneten Koffer und wusste nicht, was sie da reintun sollte. Sie bat mich um meine Hilfe. Ich habe mich geweigert und sie gefragt:
„Wie alt willst du denn werden, bis es dir gelingt, selbständig einen Koffer zu packen?“
Dann habe ich sie da sitzen lassen. Ich wartete eine halbe Stunde und machte in dieser Zeit irgendwas mit den Kindern. Nach dieser halben Stunde schaute ich nach, ob es am Koffer Fortschritte gab.
Die Frau, mit der ich de jure verheiratet bin, saß weiterhin hilflos vor ihrem geöffneten Koffer und blockierte sich selber.
Ich sagte ihr:
„Die Kinder und ich fahren jetzt los (mit dem Auto). Wenn du gepackt hast, kannst du ja mit dem Zug nachkommen. Du weißt ja, wo wir sind.“
Und so haben wir das dann auch gemacht.
(Übrigens: Die Frau, mit der ich de jure verheiratet bin, entschied in dieser Situation, sich weiterhin zu blockieren. Sie kam nicht nach, nicht am nächsten Tag und nicht später. Meine Töchter und ich verlebten einen sehr schönen Urlaub in den Bergen).
Und natürlich gibt’s auch die, die anders entscheiden wollen als ich. Da sind im Zusammenleben manchmal Kompromisse nötig. Aber ich mache keine. Wenn ich entschieden habe, dann habe ich entschieden.
Dazu drei Beispiele aus dem privaten Bereich.
1
Als meine Freundin und ich heirateten, schwebte ihr durchaus was romantisches vor. Ich dagegen machte deutlich, dass die Hochzeit unter meinen Bedingungen stattfinden würde oder gar nicht. Ihr war sehr wichtig, dass bei der Hochzeit mit einer weißen Kutsche gefahren wurde. Ich sagte ihr dazu:
„Ich habe nichts dagegen, wenn du bei der Hochzeit in einer weißen Kutsche fährst.“
Ich habe (in aller Regel) nicht das Recht, über das Leben anderer zu bestimmen, also tue ich das auch nicht.
2
Ich spielte damals noch viel Fußball. Da ich aber nicht unbedingt das bin, was man ein Bewegungstalent nennt, zog ich mir dabei manchmal Blessuren zu. Eines Tages war ich im Spiel mit dem linken Fuß böse umgeknickt. Der Fuß schwoll an auf die Größe einer Wassermelone, und das Sprunggelenk tat ziemlich weh. Ein Freund fuhr mich mit dem Auto ins Krankenhaus. Dort ließ ich in der Notaufnahme die üblichen administrativen Prozeduren über mich ergehen. Dann wurde ich auf eine Liege gesetzt, die auf Rollen stand und durch die Gegend gefahren. Das war auch ganz nett.
Sie schoben mich in einen kleinen Raum, in dem ich auf ärztliches Personal warten sollte. Also saß ich da auf dieser Liege, betrachtete meinen schmerzenden Fuß und wartete auf ärztliches Personal. Die Tür ging auf, und eine junge Ärztin kam herein. Sie betastete meinen Fuß (was ziemlich weh tat) und murmelte dabei lateinische Vokabeln. Dann ging sie wieder raus.
Kurze Zeit später kam sie zurück. Sie schob irgendein Gerät vor sich her, das aussah wie ein ziemlich großer Schraubstock.
Sie machte Anstalten, meinen Fuß da reinzustecken. Mein Fuß in dieser Situation in einem Schraubstock?! Das hielt ich für eine ausgesprochen schlechte Idee.
Ich zog sofort meinen Fuß zurück und sagte ihr:
„Wir machen hier jetzt gar nichts, bevor Sie mir nicht erklären, was Sie hier vorhaben.“
„Wir machen jetzt eine gehaltene Aufnahme“, erklärte sie mir.
Davon hatte ich noch nie was gehört.
„Was ist eine gehaltene Aufnahme?“ wollte ich wissen.
Wer sich dafür interessiert, kann ja ergoogeln, was eine „gehaltene Aufnahme“ ist.
Auf jeden Fall erklärte sie mir das, und mangels besserer Alternativen entschied ich, dass sie das machen dürfte. Mein Fuß kam also in diesen Schraubstock.
3
Am Anfang meiner zweiten Psychotherapie musste ich mich erst mal an die Therapeutin gewöhnen und sie sich an mich. Sie machte in den ersten Monaten immer wieder Vorschläge zum konkreten Vorgehen in den Therapiesitzungen. Sie ist erfahren und kompetent. Sie kann was. Aber ich bin ich. Oder präziser: Wir sind wir. Und die Teile in mir, die diese Therapie steuern, die wissen sehr genau, was sie da tun (auch wenn ich selberdas meistens nicht weiß und von ihnen völlig im Dunkeln gelassen werde). Am Anfang unserer Zusammenarbeit machte die Therapeutin oft Vorschläge, wie wir jetzt vorgehen könnten. Wir prüften das, und jedes Mal hörte die Therapeutin dieses:
Ein gelassenes und sicheres
„Nein, das tun wir jetzt nicht.“
Ein Therapeut ist niemand, der mich beherrscht oder steuert, sondern jemand, der mich begleitet und auf mich aufpasst. Das war am Anfang der Therapie so abgesprochen, aber sie machte das später nochmal zum Thema. Ich sagte ihr:
„Ich bitte Sie hier um ein wenig Vorschussvertrauen: Mein Körper weiß ganz genau, was er da tut.“
Zusammenfassung
Eine Entscheidung zu treffen ist bei mir ein einfacher logischer Vorgang:
1.) Ich werde mir klar, welches Ziel ich erreichen will.
2.) Ich prüfe die vorliegenden Informationen und Fakten
3.) Ich führe eine Entscheidung herbei
Dabei bin ich sehr gut in der Lage, auch in unübersichtlichen Situationen oder bei sehr unvollständiger Information sichere und schnelle Entscheidungen herbeizuführen. Manchmal entscheide ich auch, mich zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu entscheiden.
Sollte sich eine Entscheidung im Nachhinein als Fehler herausstellen, analysiere ich das, lerne daraus und mache es beim nächsten Mal besser.
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Peter (Donnerstag, 01 Dezember 2022 08:56)
"Ich entscheide auch sehr sicher in Situationen, wo die Informationen schrecklich unvollständig sind. Solche Situationen sind in meinem Leben sehr häufig. Aber wenn ich im Moment nicht mehr Informationen bekommen kann, und die Entscheidung nicht vertagt werden kann, dann entscheide ich jetzt. Und wenn die Entscheidung sich im Nachhinein als schlecht oder falsch herausstellt, dann ist das eben so. Dann lerne ich daraus und mache es beim nächsten Mal besser."
Logisches Problem: Wenn du sicher entschieden hast, kann es sich nicht im Nachhinein als falsch herausstellen. Dann ear es nicht falsch, sondern der unvollständigen Information geschuldet. Schlechtes Resultat bedeutet nicht immer schlechte Entscheidung, und umgekehrt. Du kannst es auch nicht das nächste mal besser machen, oder du hast eben wirklich schlecht entschieden. In diesem Fall kannst du aber nicht einmal immer wissen, wo der Fehler war. Nehmen wir als Beispiel Schach, ein Spiel mit vollständiger Information. Du spielst 2 Partien, 1 mal weiss, 1 mal schwarz. Verlierst beide. Irgendwo muss mindestens 1 Fehler gewesen sein, das ist bewiesen. Aber wo? Übrigens ist nur 1 Fehler zweifelsfrei nachgewiesen, weil Schach nicht gelöst ist. Wenn Weiss eine Gewinnstrategie hat, hast du mit weiss einen Fehler gemacht. Nicht mit schwarz, da war sowieso alles egal, weil verloren. Analog wenn Schwarz eine Gewinnstrategie hat. Wenn Schach ein Remisspiel ist, hast du 2 Fehler gemacht, jeweils in Partie 1 und 2. Du weisst, dass es einen Fehler gab, weisst aber nicht wo. Du versuchst, daraus zu lernen und wiederholst diese Partie nicht. Und verlierst erneut...
Auf was ich hinaus will: Ganz so trivial sind manche Entscheidungen nicht. Ich meinerseits setze auf leichte und gleichzeitig fehlertolerante Entscheidungen. Wenn schwierig, dann entscheide ich auf Nichts tun.
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