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Der härteste Rhetorik-Trainer Deutschlands

Einige Jahre war ich im Konzern, in dem ich arbeite, dafür verantwortlich, wen wir als externen Trainer für unseren Vertrieb an Bord nahmen. Unser Vertrieb hatte damals knapp Divisionsstärke: Mehr als 5.000 Menschen. Das war einer der größten Vertriebe Deutschlands. Da brauchte man einen Haufen Trainer.

 

Wir hatten damals ungefähr 25 interne Trainer für den Vertrieb. Das waren festangestellte Trainer (so wie ich), deren Aufgabe es war, Seminare und Trainings für den Vertrieb durchzuführen.

 

Da diese 25 Leute nie und nimmer in der Lage waren, all die Trainingsbedürfnisse unseres Vertriebes abzudecken, kauften wir massiv Trainings von außen zu.

 

Ich weiß nicht, in welchem Maße ihr euch auf diesem Markt auskennt:

Freiberufliche Vertriebstrainer und Trainingsanbieter für den Vertrieb gibt’s in Deutschland wie den buchstäblichen Sand am Meer. Ich schätze, dass ungefähr zehntausend Menschen in Deutschland ihr Geld nur damit verdienen, irgendwelche Vertriebe zu schulen und zu trainieren. Die einen können gut davon leben, die anderen können weniger gut davon leben. Aber die freiberuflichen Trainer und die ganzen Schulungsinstitute haben alle eines gemeinsam:

Sie alle sind die besten. Und von den besten, die es gibt, sind sie die allerbesten.

 

Ihr könnt es euch ja mal im Internet oder auf irgendwelchen Messen mal anschauen: Egal welchen Trainer du googelst oder ansprichst:

Er ist einzigartig, unerreicht, niemand auf der ganzen Welt hat seine Kompetenz, seine Ausstrahlung, seine Wirkung und seine Erfahrung … und sowieso und überhaupt. Wenn du dich etwas länger mit ihm unterhältst oder mit seiner Internetseite beschäftigst, beginnst du dich ernsthaft zu fragen, wie du bis jetzt ohne ihn hast überleben können und wie für dich ein zufriedenes und erfolgreiches Leben ohne ihn in Zukunft überhaupt möglich sein soll.

 

Jeder freiberufliche Vertriebstrainer, den du ansprichst, ist ein Geschenk Gottes an die Menschheit, und er hat die Erfolgsformel für den Vertrieb gefunden. Ach was sage ich! – Nicht nur die Erfolgsformel für den Vertrieb. Sondern auch für ein glückliches Leben. Für ein erfolgreiches Leben. Für Erfolg bei den Frauen. Und was weiß ich … Vermutlich haben sie auch in der Tiefe ergründet, wie ein Reißverschluss funktioniert und wissen mit traumwandlerischer Sicherheit, wo auf einem Hauptbahnhof die sauberen Toiletten zu finden sind. Und in ihrer Freizeit arbeiten sie abends bei einem Gläschen Wein am heimatlichen Kamin zusammen mit anderen Geistesriesen an der Integration der Feldtheorien.

 

Jaja, die haben es schon echt drauf, diese freiberuflichen Verkaufstrainer.

 

Und das ist einer der Hauptgründe, warum mir mein damaliger Chef die ehrenvolle Aufgabe übertrug, ab jetzt die externen Trainer für unseren Vertrieb auszuwählen und anzuheuern:

 

Mit so einem Trainer hält es auf Dauer keine Sau aus.

Alle sind sie die größten, besten und schönsten und klügsten und hast du nicht gesehen.

 

Du meine Güte!

 

Am schlimmsten sind die Motivationskasper und die Life-Coaches.

Motivationskasper treten am liebsten in vollen Hallen auf und verbreiten massensuggestive gute Laune und infantilisierende Omnipotenzfantasien. Sie peitschen die Massen auf und erzählen den Leuten alles, was sie hören wollen. Die Leute zahlen gut dafür. Sie lassen sich gerne reinlegen.

Und Life-Coaches sind nicht die, die dich ein Leben lang coachen, sondern die, die dir sagen, wie du dein Leben zu führen hast – alles aus reinem Edelmut und tief empfundener Verbundenheit mit den Menschen. Aber selbstverständlich. Sie sind mit den Beduinen durch den Sinai gezogen, haben mit den Aborigines heilige Didgeridoos gebaut, und sie haben in der Amazonasregion von Fröschen und Insekten gelebt, während sie dort den Schamanen lauschten. Die hatten so ein krasses Leben, das kannst du dir gar nicht ausdenken (es sei denn, du arbeitest als Life-Coach). Aber dann haben sie die Geheimformel gelernt und seitdem ziehen sie aus den spirituellen Wurzeln der Erde eine solche Energie, dass sie ihr eigenes Atomkraftwerk sind. Und so strahlen sie auch die ganze Zeit. (Es sei denn, sie gucken gerade so ernst und betroffen, weil sie merken, dass sie bei dir mit ihrem Stuss nicht landen können).

 

Sie sagen dir, wie du schlafen sollst, was du essen sollst, wie du gähnen sollst, wie du atmen sollst, wie du denken sollst, wie du deine Gefühle endlich in den Griff kriegst (das will ja ein jeder, nicht wahr? – die Gefühle in den Griff kriegen), wie du gehen sollst, wie du trinken sollst und selbstverständlich gehören sie zu den glücklichsten und erfolgreichsten Menschen dieser Welt. Besonders glücklich sind sie, wenn sie Dumme finden, denen sie mit diesem Unsinn das Geld aus den Taschen ziehen können.

 

Also (Seufzer) – jede Menge Stuss und spiritueller Größenwahn. Ich weiß ja, dass diese Leute auch von irgendwas leben müssen. Aber wer hauptberuflich die Leute täuscht und reinlegt, der hat bei mir einen ziemlich schweren Stand. Die sollen ein ehrbares Handwerk lernen und nicht die Leute infantilisieren.

 

Und so stapelten sich in meinem Büro auf einem Extratisch irgendwann die Berge der ungefragt zugeschickten Verkaufsunterlagen. Das waren jedes Quartal hunderte.

(Erklärung: Ich sorge seit jeher dafür, dass irgendwelche externen Verkäufer oder Key Accounter mich auf gar keinen Fall telefonisch erreichen können. (Manchmal kommen Headhunter irgendwie an meine Nummer, aber das ist dann wieder eine andere Geschichte. Als Headhunter musst du offenbar hellsehen können). Und im Internet mache ich in dieser Sache gar nichts. Wer von mir im Konzern was will, der hat sich schriftlich bei mir zu melden. Und schriftlich heißt in diesem Fall Papier. Niemand müllt mir mein E-Mail-Postfach mit irgendwelchen Werbeflyern zu).

 

Ungefähr einmal in der Woche nahm ich mir Zeit, mir das anzuschauen. Ich hatte für jede Unterlage im Schnitt 30 Sekunden Zeit. Und bei den allermeisten (über 99%) hieß es schon nach weniger als fünf Sekunden: Absage.

Dann kritzelte ich handschriftlich den entsprechenden Vermerk auf die Unterlage und gab das mit der Bitte um weitere Veranlassung an unser Sekretariat weiter. (Ja, das Feld des Vertriebstrainings ist ein sehr hartes Pflaster. Entweder du überzeugst direkt, oder du lässt es).

 

Dann und wann schaute mein Chef bei mir rein:

Stiller, ich hab hier noch zwei.“

Er wedelte mit zwei Verkaufsunterlagen von externen Trainern, die er in der Hand hatte.

Was soll ich damit?“

Ich deutete auf den Stapel, durch den ich mich gerade durchackerte, um ihm zu zeigen, dass wir wirklich keinen Mangel an Bewerbungsunterlagen hatten.

Das sind zwei FoVs.“

Scheiße. Leg’s da hin.“

Ich zeigte mit resignierender Geste auf einen kleineren Stapel Unterlagen, der einen gesonderten Platz auf meinem Schreibtisch hatte.

Mein Chef zeigte das erfreute Grinsen, das ein Mensch immer im Gesicht hat, wenn es ihm gelungen ist, die Begegnung mit einem (oder sogar zwei) FoV zu vermeiden und diese Aufgabe jemand anderem aufzudrücken.

Er legte die beiden Unterlagen auf den Stapel, auf den ich gezeigt hatte und verschwand wieder:

Wieder ein Problem, das Stiller für ihn lösen würde.

 

FoVs! Die hatten mir gerade noch gefehlt!

FoV nannten wir bei uns in der Abteilung die externen Trainer, die es irgendwie geschafft hatten, sich an mir vorbeizumogeln und direkt mit dem Vertriebsvorstand zu sprechen. Meistens machten sie das so:

Sie spähten aus, wann unser Vertriebsvorstand mal wieder eine Dienstreise mit dem Flugzeug machte, buchten dann den Platz direkt neben ihm und kauten ihm während des ganzen Fluges ein Ohr ab, wie toll sie doch waren.

Unser Vertriebsvorstand war damals ein leicht zu beeindruckender und leicht zu begeisternder Mensch. (Tatsächlich kenne ich kaum Vertriebsvorstände, bei denen das anders ist).

Und wenn der Flieger landete, hatte der Vertriebsvorstand jedes Mal den Eindruck gewonnen, er hätte hier einen Menschen kennengelernt, der tatsächlich die Geheimformel des vertrieblichen Erfolges gefunden hatte.

 

FoV nannten wir solche Trainer:

Friend of Vorstand.“

Und denen konnten wir natürlich nicht einfach so absagen. Meistens musste ich ein längeres Interview mit ihnen führen und dann so eine Art Gutachten anfertigen, warum wir ihn nicht nahmen.

Alles zusätzliche Arbeit.

Aber so ist der Vertrieb:

Wenn es dir gelingt, das Ohr des Vertriebsvorstandes zu gewinnen, dann bist du schon mal einen erheblichen Schritt weiter, egal, was dein Ziel ist.

 

Ich weiß nicht, wie viele Vertriebstrainer nur deshalb Golf spielen, um auf diese Weise mit einem Vertriebsvorstand ins Gespräch zu kommen. Andere fliegen permanent in der teuersten Klasse rund um den Globus, immer auf der Suche nach einem Vertriebsvorstand, den sie am Gate oder im Flieger abpassen können. Dann gibt’s wieder welche, die treiben sich bevorzugt in den angesagten Luxusbordellen rum – es gibt da viele Möglichkeiten. Der Markt ist groß, aber die Konkurrenz ist verdammt hart, also musst du dir als freiberuflicher Vertriebstrainer schon was einfallen lassen.

 

Und wenn ich mit so einem FoV ein Interview zu führen hatte, dann war das oft ganz besonders ermüdend für mich. Bitte erinnert euch – das waren alles die größten, schönsten, klügsten, erfolgreichsten … und etliche von ihnen hatten tiefgehende spirituelle Wurzeln aus dem Sinai oder dem Amazonas mitgebracht. (Kaum zu glauben, was diese Schamanen und Naturvölker so alles wissen. Da macht sich der zivilisierte Mensch gar keine Vorstellung von!)

 

Aber auf der anderen Seite hatte ich einen Vorteil: Ich war Autist. Und das wussten diese Trainer nicht. Und als Autist kann ich derart hart und direkt sein, dass auch den größten, schönsten, klügsten und erfolgreichsten buchstäblich die Spucke wegbleibt. Und auch deine spirituellen Wurzeln helfen dir nicht, wenn ich dich mit der Logik konfrontiere.

 

Herr Stiller, wie Sie sicher schon in meinen Unterlagen gesehen haben – ich coache die erfolgreichsten Verkäufer und Führungskräfte in ganz Deutschland.“

Ja, davon habe ich schon gehört. Ich freue mich für Sie und Ihren Erfolg. Ich habe Ihre Unterlagen gesehen und muss sagen: Sehr beeindruckend. Wirklich sehr beeindruckend – ohne jeden Zweifel. Der Erfolg ist Ihr ständiger Begleiter. Aber eine Frage habe ich dennoch: Wenn Sie so erfolgreich sind - wie kommt es dann, dass Sie jetzt bei mir hier am Schreibtisch sitzen und dieses Gespräch führen? Sie könnten doch zur selben Zeit für teuer Geld irgendein Training oder Coaching durchführen und sich eine goldene Nase verdienen. Sind Sie nicht ausgelastet? Haben Sie zu wenig Aufträge oder zuviel Zeit?“

 

Herr Stiller, ich habe zahlreiche Bücher geschrieben, die Millionenauflagen haben und überall bestens besprochen werden.“

Das habe ich in Ihren Unterlagen gesehen – alle sind voll des Lobes über Sie.“ (Ich blättere in den Unterlagen): „Hier – Focus Money, Euro, Manager-Magazin, St. Gallener Tageblatt … das nimmt ja gar kein Ende mehr. Als Autor von Erfolgsbüchern macht Ihnen niemand was vor. Wirklich beeindruckend – muss ich schon sagen. Wirklich beeindruckend! Aber hier scheint ein Missverständnis vorzuliegen: Wir suchen keinen Autoren, sondern einen Trainer. Bücher lesen können unsere Leute schon.“

 

Ich habe schon weit über 40.000 Manager geschult. Ich bin der gefragteste Rhetorik-Trainer Deutschlands!“

Donnerwetter! Allerdings – wenn ich es recht bedenke … ich habe ja selber schon sehr viele Manager erlebt – in diesem Haus und in anderen Großunternehmen. Ich kann Ihnen mit Bestimmtheit sagen, dass mir noch nie aufgefallen ist, dass ein Manager durch Ihre Hände gegangen ist. Legen Sie bei Ihren Trainings mehr Wert auf Masse als auf Klasse? … Oder wieso scheint Ihr Training bei all der Masse so wenig Wirkung zu zeigen?“

 

 

Es ist immer dasselbe:

Zwingst du mir ein Gespräch auf und behauptest großspurig, du könntest Stroh zu Gold spinnen (Sprachbild), dann musst du bei mir immer mit derselben Retourkutsche rechnen:

Sie können sich auf dem freien Markt für kleines Geld tonnenweise Stroh kaufen. Das können Sie zu Gold spinnen, dass Sie soviel Geld haben, dass Sie es nicht ausgeben könnten, selbst wenn Sie zehn Leben hätten. Warum führen wir beide jetzt dieses Gespräch? Warum sind Sie jetzt in diesem Moment nicht damit beschäftigt

  1. Stroh zu kaufen oder

  2. es zu Gold zu spinnen oder

  3. all ihr Geld irgendwie auszugeben?“

 

Dasselbe gilt für diese Psychoclowns, die auf einmal den Stein der Weisen gefunden haben und jetzt das Geheimnis der seelischen Gesundheit und der Heilung kennen:

Wie kommt es, dass wir jetzt überhaupt ein Gespräch führen? Wie kommt es, dass Sie überhaupt im Internet zu finden sind? Wenn Sie die Methode gefunden hätten, die alles und jeden heilt (in kürzester Zeit, vollkommen sanft und schmerzfrei und spottbillig, selbstverständlich), dann müsste es doch so sein, dass Sie sich vor Hilfesuchenden überhaupt nicht mehr retten können. Sie müssten derart überlaufen sein, dass Sie alles tun würden, um sich die Hilfesuchenden vom Hals zu halten.“

 

(Ähnliches denke ich auch oft von Traumatherapeuten, deren Spuren ich im Internet finde: Wenn du bzw. deine Methode so toll und so unfehlbar sind – warum lese ich diese Begeisterungsstürme immer nur auf deiner Internetseite? Warum bist du nicht schon längst der angesagteste Psychotherapeut Deutschlands, der, der als Geheimtipp für die besonders schweren Fälle gilt? Warum bist du in den einschlägigen Foren nicht schon längst in aller Munde? Ich habe in der letzten Zeit einiges über Methoden gelesen, mit denen man Traumata behandeln oder sogar heilen kann. Es scheint immer so zu sein, dass die einzigen, die begeistert von dieser Methode oder diesem Therapeuten erzählen, die Therapeuten selber sind. Oder die, die irgendwelche Spuren auf ihren Internetseiten hinterlassen).

 

Aber zurück zum Thema:

Vertriebstrainer.

Oder präziser:

Freiberufliche Vertriebstrainer.

 

Ich habe praktisch mein ganzes Berufsleben im Vertrieb zugebracht. Und ganz sicher kann ich verkaufen. Ich traue mir zu, so ziemlich alles zu verkaufen. Ich habe in all den Jahrzehnten gute Verkäufer kennengelernt und schlechte. Ich habe Schlawiner kennengelernt und grundehrliche Menschen, die gerade mit ihrer Ehrlichkeit und Authentizität so erfolgreich waren, dass sie nie wirtschaftliche Sorgen hatten.

 

Und ich kann euch versichern:

Verkaufen ist ganz einfach und ganz schwierig gleichzeitig.

Aber wenn es die Erfolgsformel für den Vertrieb gäbe, würden alle Verkäufer weltweit sie nutzen. (Sie müssten ja bescheuert sein, wenn sie’s nicht tun würden).

 

Also achte ich bei Vertriebstrainern immer auf das handwerkliche Geschick. Vertrieb ist ein Handwerk, das man lernen kann wie jedes andere Handwerk auch. Und tatsächlich gibt es unter all den freien Vertriebstrainern und den FoVs immer wieder ehrliche Handwerker, die als Trainer ein Handwerk vermitteln. Und solche Menschen haben bei mir immer schon eine Chance bekommen.

 

Da kam es dann wieder zu Telefonaten dieser Art:

Ich sitze in meinem Büro und mache wie üblich irgendwelche hochwichtigen subalternen Sachen. Das Telefon klingelt. Ich sehe an der Nummer, dass mein Chef dran ist. Ich nehme den Hörer ab:

Ja, Chef?“

Stiller, ich hab‘ hier eine Rechnung auf dem Tisch. Die ist von [Name eines externen Trainers].“

Ja?“

Wenn ich das richtig rechne, verlangt der 3.200 Euro am Tag.“

Ja, das ist korrekt.“

Plus Spesen!“

Ja, sicher plus Spesen. So steht es im Vertrag.“

Weißt du eigentlich, Stiller, dass das jetzt unser teuerster Trainer ist?“

Das ist mir bewusst. Ich hab‘ die Liste mit den Tagessätzen hier vor mir liegen.“

Sag‘ mal, hast du eigentlich noch alle Latten am Zaun?! Wie kannst du den so teuer einkaufen?!“

Er ist das Geld wert, und es ist in meinem Budget. Du hast das Budget freigegeben.“

Aber Stiller, wie soll ich das dem [Name des Vertriebsvorstandes] erklären?“

Weiß ich nicht. Dein Problem, nicht meins.“

Stiller, so geht das nicht!“

Doch Chef, das geht so. Du hast mir diese Aufgabe übertragen. Wenn dieser Mann im Training nur halb so gut ist wie die Rückmeldungen, die ich über ihn bekomme, dann spielt er mit jedem Training das zehnfache von dem ein, was er uns kostet. Ich hab‘ hier stapelweise Mails von unseren Jungs, die bei ihm im Training waren. Da stehen Zahlen drin, da gehen dir die Augen über. Wenn wir so einen Trainer einkaufen, dann ist das immer ein Invest. Es kommt nicht drauf an, wie hoch der Invest ist, sondern wie hoch der Return on Invest ist.“

Aber der ist viel zu teuer!“

Chef, du kannst nicht beides bekommen: Billig und gut. Du musst dich entscheiden. Ich habe mich für gut entschieden. Unsere Leute haben das verdient, unsere Kunden haben das verdient. Ich habe mein Budget nicht überschritten. Was willst du eigentlich von mir?“

Du kannst Trainer nicht so teuer einkaufen!“

Doch, das kann ich. Es sei denn, du gibst mir eine dienstliche Anweisung. Aber dann schlage ich vor, dass du dir irgendjemand anderen für diese Aufgabe suchst. Oder kürz` mir mein Budget um 50 Prozent. Dann will ich aber nachher kein Geheule hören, wenn die Trainer alle scheiße sind und uns unsere Vertriebspartner auf die Füße kotzen. Das erklärst du dann dem Vorstand.“

Und so weiter.

 

Ich habe etliche externe Trainer durchgeboxt, die auch heute noch – über zehn Jahre später – bei uns im Konzern Aufträge bekommen. Der Argumentation, dass gute Trainer ihr Geld wert sind, konnte sich auch der Vorstand nicht entziehen.

 

Aber an mir kam kein einziger Selbstvermarktungskasper vorbei.

 

 

Es gab da diese Situation, da kam eine hochrangige Führungskraft auf mich zu:

Herr Stiller, wir haben hier einen, der ist der härteste Rhetorik-Trainer Deutschlands. Den müssen wir unbedingt ausprobieren!“

Der „härteste Rhetorik-Trainer Deutschlands“? Was soll das sein? Haut er die Leute mit dem Hammer auf den Kopf oder was?“

Nein, ich habe mit einem gesprochen, der war bei ihm. Der Dr. Habermeier aus dem Marketing, den kennen Sie ja auch.“

Ja, den kenne ich.“

Der hat erzählt, der macht die Leute richtig übel fertig im Seminar. So richtig. Der achtet auf jede Kleinigkeit und gibt dir knallharte Rückmeldung. Da kotzt du im Strahl, wenn der dir Rückmeldung gibt. Aber du lernst so viel bei ihm! Wenn du da rauskommst, dann bist du in Sachen Rhetorik richtig gestählt!“

Richtig gestählt?“

Ja, dich macht keiner mehr fertig. An diesem Trainer wächst du oder du zerbrichst.“

Hört sich nach gelebtem Sozialdarwinismus an. Und nach Sadismus.“

Aber der ist richtig gut, Herr Stiller! Den müssen wir ausprobieren! Hier gucken Sie mal, was der für Kritiken bekommen hat!“

(Die Führungskraft hält mir ein Exemplar einer angesagten Trainergazette hin, wo Trainer für teuer Geld Artikel über sich bestellen können).

Haben wir tatsächlich zu wenig harte Führungskräfte bei uns im Konzern? Ist es das, was unsere Mitarbeiter aber auch unsere Vorstände ständig bemängeln: Die Manager sind nicht hart genug – speziell im Bereich der Rhetorik?“

Ja … wenn Sie mich so fragen …“

Ja, ich frage Sie so.“

Aber wir sollten den auf jeden Fall ausprobieren!“

Und mit welcher Zielsetzung sollten wir den ausprobieren? Was ist der erlebte Mangel, den er beheben soll? Was ist der erwartete Nutzen?“

Ja … wenn Sie mich so fragen …“

Ja, ich frage Sie so.“

Die Führungskraft denkt einen Moment schweigend nach. Dann hat sie die Erleuchtung:

Er macht die Leute erfolgreicher!“

Gerade eben hatte ich es so verstanden, dass er die Leute härter macht. So eine Art Bootcamp der Rhetorik.“

Ja, das auch.“

Also härter und erfolgreicher.“

Ja, beides.“ Die Führungskraft wirkt erleichtert und sieht sich anscheinend schon auf der Zielgeraden (Sprachbild).

Ich sinniere:

Härter und erfolgreicher.“

Dann fahre ich fort:

Ich nehme an, er macht die Leute auch gesünder.“

Ja, sicherlich.“

Nun, dann sollte er sich vielleicht im Vatikan melden. Die haben Verwendung für solche Leute. Geht er auch über das Wasser?“

 

 

Wie gesagt – ich bin Autist. Wenn du mir ein Gespräch aufzwingst und dann aber nur mit blöden Sprüchen und irgendwelchen Plattitüden kommst, dann kannst du mich von einer sehr unangenehmen Seite erleben.

 

Da bin ich dann der härteste Rhetorik-Trainer Deutschlands.

Du wächst dran oder du zerbrichst.

 

 

 

P.S.

 

Selbstverständlich habe ich früher auch als Rhetorik-Trainer gearbeitet (wer hat das in diesem Beruf nicht?) Aber ich war nicht hart. Und erfolgreich war ich damit auch nicht.

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