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Schrittgeschwindigkeit

*** Aus dem Internet:

„Wie viele Kilometer pro Stunde gleich Schritttempo sind, steht nicht in der Straßenverkehrsordnung, und auch die Rechtsprechung ist diesbezüglich nicht einheitlich. Die Definition ist den Gerichten überlassen: In Brandenburg bedeutet Schrittgeschwindigkeit 6 km/h (…), in Hamm hat das OLG 10 km/h als Schrittgeschwindigkeit festgelegt (…) und das Amtsgericht Leipzig sogar 15 km/h (…)“ ***

 

 

Wenn ich gehe, gehe ich Schrittgeschwindigkeit. Wie schnell das ist, hängt sehr von den Umständen ab. Bei der Arbeit zum Beispiel neige ich dazu, sehr zügig und schnell zu gehen: Ich habe ein Ziel, ich habe was vor, und es ist mir immer ein Grundbedürfnis bei der Arbeit, effizient zu sein.

 

Wenn ich aber in meiner Freizeit unterwegs bin, dann ist mein Schritttempo ein ganz anderes. Und darüber will ich heute schreiben.

 

Schon vor vielen Jahren fiel mir auf, dass beinahe jeder Erwachsene, der in seiner Freizeit zu Fuß unterwegs ist, schneller ist als ich, wenn ich in meiner Freizeit zu Fuß unterwegs bin. (Wir gehen hierbei von Erwachsenen aus, die gesund und bei Kräften sind und z.B. nicht auf eine Gehhilfe angewiesen sind).

 

Wir erleben das bei Wanderungen, wir erleben das, wenn wir durch Fußgängerzonen gehen. Wir erleben das, wenn wir an einem Meeresstrand entlanggehen, wir erleben das, wenn wir unser Auto geparkt haben und zur Haustür gehen.

Und so weiter.

Wir haben buchstäblich tausende Messungen dazu gemacht. Wir haben diese Messungen zu unterschiedlichen Tages- und Jahreszeiten gemacht, bei unterschiedlichen Witterungsbedingungen und bei allen möglichen Untergründen (Asphalt, Pflaster, Rasen etc.). Das Ergebnis war immer dasselbe.

 

Und wir haben uns gefragt, was hier vorgeht.

Warum gehen anscheinend so ziemlich alle Erwachsenen schneller als wir, wenn wir uns in der Freizeit zu Fuß von A nach B bewegen?

 

Wir kamen sehr schnell drauf, als wir versuchten, den Gang der anderen zu imitieren:

Wenn ich so gehe, wie die anderen – wie fühlen wir uns dann, was geht dann in uns vor?

 

Es war einfach, es war verblüffend:

Meine Kleinen kommen nicht mit.

Es ist den Kleinen in mir unmöglich, mit dem Schritt der Großen mitzuhalten, ohne zu rennen.

Ich kann so schnell gehen wie andere Erwachsene, keine Frage. Ich bin ein guter und sehr ausdauernder Marschierer. Aber wenn meine Kleinen nicht mitkommen – wozu soll das (in der Freizeit) gut sein?

 

Bei der Arbeit ist das was anderes.

Da habe ich mit meinen Kleinen den Vertrag, dass sie in dieser Zeit irgendwas spielen können oder sich unterhalten oder sich Geschichten erzählen oder was auch immer, dass sie mir aber nicht vor die Füße wuseln oder mich behindern. Sie dürfen dabei sein, aber Tempo, Rhythmus, Inhalt und Art und Weise der Arbeit werden von mir - dem Großen - bestimmt.

Das bedeutet nicht, dass sie sich dazu nicht äußern dürfen. Und wenn es irgend geht, dann lasse ich ihre Wünsche und Bedürfnisse in meine Arbeit mit einfließen. Aber manchmal geht das nicht, und dann müssen sie damit leben.

 

Aber in der Freizeit …

 

Wenn ich als Großer überhaupt eine Funktion habe, in diesem Leben, dann ist es, den Kleinen und den Innenteilen von mir ein schönes Leben zu ermöglichen. Mit anderen Worten:

Wenn ich nicht arbeite, richte ich mein Leben an den Bedürfnissen meiner Kleinen aus. Was sie wollen und brauchen, das zählt. Alles andere ist zweitranging.

 

Das wirkt sich selbstverständlich auch auf meine Schrittgeschwindigkeit aus:

Meine Kleinen bestimmen das Tempo, und ich als Großer passe mich dem an.

Das bereitet mir auch keinerlei Mühe oder Unbehagen.

 

Wenn ich versuche, die Schrittgeschwindigkeit anderer zu imitieren, stelle ich fest, dass meine Kleinen nicht mitkommen.

Wenn ich mir die anderen anschaue, wenn sie gehen, dann habe ich fast immer den Eindruck, dass ihre Kleinen in ihrem Leben überhaupt nicht zählen. Fast alle Erwachsenen erlebe ich so, dass sie nicht mal wissen, dass das Kind, das sie mal waren, in ihnen immer noch sehr lebendig und aktiv ist.

 

Auf mich wirkt das so:

Sie gehen als Große drauflos, und ihre Kleinen können sehen, wo sie bleiben.

Sie als Große gehen geschwind, ihre Kleinen müssen rennen.

Und wenn ihre Kleinen irgendwas wollen oder brauchen, dann scheinen sie es nicht einmal zu bemerken – ganz so, wie sie es erlebt haben, als sie selber noch Kinder waren.

Mit buchstäblich jedem Schritt signalisieren sie den Kleinen in ihnen:

Ihr zählt nicht.

Ihr interessiert nicht.

 

Es ist nicht an mir, das zu beurteilen oder zu bewerten. Es fiel mir nur neulich mal wieder sehr drastisch auf, und meine Kleinen baten mich, das mal in einem Blogtext zum Thema zu machen.

 

Natürlich gibt’s auch die Menschen, die mir als Großem ungefragt was von „Achtsamkeit“ oder von „Entschleunigung“ erzählen. Aber bislang haben wir es immer so erlebt:

Diese Menschen sind voll mit solchen Worten. Und diese Worte sind bei ihnen genau das: Worte – und sonst nichts. Wir erlebten es bislang immer so: Gerade diese Menschen gingen besonders schlecht mit ihren Kleinen um.

 

Wir entschleunigen nicht, und wir sind auch nicht achtsam. (Und ganz sicher gibt’s noch einen Haufen anderer Sachen, auf die diese politisch korrekten Teilzeiterleuchteten ein besonderes Augenmerk legen, was in unserem Leben auch keinerlei Relevanz hat).

 

Aber wir achten seit geraumer Zeit darauf, dass wir um solche Menschen einen großen Bogen machen.

 

Deine Kleinen achten nicht auf das, was du sagst oder willst, sondern auf das, was du bist und tust. Deshalb: Erzähle mir nicht irgendwas von dem, was du gelesen hast oder was dir wichtig ist, sondern sei und tu.

 

Der Rest ergibt sich.

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