Das Viehzeuchs

In der Sprache meiner Heimatstadt sind Tiere „Viehzeuchs“. Mein Verhältnis zum Viehzeuchs hat sich im Verlauf meines Lebens immer wieder sehr verändert.

 

1

Als ich ein Kleinkind war, lebten wir sehr einsam im Wald. Der nächste Nachbar wohnte mehrere hundert Meter entfernt. Deshalb hatten meine leiblichen Eltern einen Wachhund angeschafft - einen Schäferhund. Ich erinnere mich nur noch wenig an ihn. Am nachdrücklichsten ist meine Erinnerung an einen Spaziergang, auf dem mein leiblicher Vater wütend und mit viel Kraft Steine nach ihm schmeißt.

 

2

Mein leiblicher Vater war zwar in einer Bauernfamilie groß geworden, hatte aber zeitlebens ein gestörtes Verhältnis zu allem, was lebendig war. Speziell mit Tieren kam er nicht klar. Wenn wir im Urlaub waren, haben wir immer irgendwo wild in Wald, Feld und Wiese gezeltet. Wir waren arm, und das war die einzige Möglichkeit für uns, irgendwo auswärts zu übernachten. Im Freien zu zelten brachte uns natürlich auch oft in Kontakt mit Kühen. Für meinen leiblichen Vater waren Kühe enorm gefährliche Tiere. Ich erinnere mich an dutzende Szenen, in denen er in Streit mit Kühen war und diese riesigen und gefährlichen Biester mit aller Kraft von der Familie fernhielt. Ich war ein Kind. Ich nahm das alles für bare Münze (Sprachbild). Ich entwickelte eine sehr ausgeprägte Angst vor Kühen.

 

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Als ich Jugendlicher war, hielten meine leiblichen Eltern sich Katzen. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten entwickelte ich eine gute Beziehung zu ihnen. Sie sprachen mit mir und ich sprach mit ihnen. Mit den Jahren lernte ich ihre Sprache und verstand beinahe jedes Wort.

 

4

Das bedeutete nicht, dass mein Verhältnis zu den Katzen immer harmonisch war. Ich erinnere mich zum Beispiel an den jungen Kater Schnurz, der gerne nachts bei mir im Bett schlief. Wir verstanden uns gut. Eines nachts wurde ich durch irgendwas geweckt. Ich sah in der Dunkelheit einen Schatten direkt auf mich zufliegen. Zum Glück begriff ich sofort, worum es ging. Zum Glück hatte ich hervorragende Reflexe:

Schnurz sprang in der Dunkelheit nach meinen Augen. Offenbar leuchteten sie schwach und sein Jagdinstinkt war geweckt. Meine Hände zuckten hoch, und ich fing ihn noch im Flug direkt vor meinem Gesicht ab. Genervt schmiss ich ihn gegen den Kleiderschrank und hörte zufrieden, wie er am Schrank abprallte und zu Boden fiel. Dann drehte ich mich im Bett um und schlief wieder ein.

 

5

In zwei weiteren Nächten sprang Schnurz nach meinen Augen. Dann hatte er gelernt, dass das dazu führte, dass er gegen den Kleiderschrank gepfeffert wurde und ließ es sein. Wir mochten uns sehr. Aber manchmal war er ein bisschen bekloppt.

 

6

Schon als Schüler war ich gerne nachts im Wald unterwegs. Oft abseits aller Wege. In meiner Abiturzeit machte ich das besonders oft. Und eines Nachts schrie mir dabei jemand direkt ins Ohr. Total erschrocken fuhr ich herum. Im fahlen Mondlicht sah ich auf dem Baum direkt neben mir eine Eule auf einem der unteren Äste sitzen. Neben ihr saß eine andere Eule. Beide schrien sich was zu. „Ja, habt ihr den Arsch auf?!“ fluchte ich sie an.

Sie antworteten nicht. Sie waren verliebt.

Ich ging weiter.

 

7

Als junger Erwachsener war ich zum ersten Mal im Hochgebirge. Mit einer Gruppe von Studentenfreunden war ich unterwegs in der Kreuzkofelgruppe in den Dolomiten. Auf 2.200 Metern Höhe durchwanderten wir eine ausgedehnte Hochebene, als auf einmal ein ganzer Pulk Almkühe auf uns zukam. Hier oben gab es keine Zäune. Hier oben gab es nur freilaufende Kühe, deren Glocken ständig „Baleng! -Baleng!“ machten. Ich ging etwas abseits von den anderen und dieser Pulk Kühe kam ausgerechnet auf mich zu. Ich erstarrte vor Angst und kalkulierte meine Möglichkeiten: Hier oben hatte ich keine Chance, ihnen zu entkommen. Ich würde jetzt sehen müssen, was passierte.

Die Kühe kamen mit viel Baleng!-Baleng! auf mich zu und wurden dabei langsamer.

Ich stand steif und stumm und aufrecht in der Gegend rum, meine Freunde machten Fotos von der Szene oder wanderten weiter.

Dann überlegte ich mir: Wenn ich mit Katzen reden kann, dann kann ich vielleicht auch mit Kühen reden. Also streckte ich der vordersten Kuh stumm meine Hand entgegen, so wie ich es immer bei Katzen machte, wenn ich mit ihnen reden wollte. Die vorderste Kuh nahm neugierig Kontakt mit dieser ausgestreckten Hand auf und blieb stehen. Die anderen Kühe umringten diese Kuh. Alle schnupperten an meiner Hand. Dann schauten sie mich an und musterten mich. Irgendwann ließ ich die Hand sinken und stand einfach nur so da. Ich hatte jetzt nicht mehr ganz so viel Angst. Anscheinend konnte man mit diesen Kühen tatsächlich reden. Die Kühe kamen ganz nah an mich heran, schnupperten an mir und gingen dann allmählich wieder weg.

Ich blieb stumm und aufrecht stehen, bis sie sich alle wieder abgewandt hatten. Dann wanderte ich hinter meinen Freunden her. Ich verlor kein Wort über diese Sache.

„Stiller redet mit den Kühen“ erzählten sie sich, als wir in der Fanes-Hütte rasteten.

 

8

Als ich Anfang 30 war, wanderte ich viel im Harz. Das waren für mich recht anspruchsvolle Touren. Eines Abends ging ich ziemlich müde aus über 1.000 Metern Höhe wieder ins Tal. Auf diesem langen Abstieg hörte ich rechts neben mir einen Vogel im Laub rumwühlen. Ich kannte das – irgendeine Amsel oder sowas durchwühlte mit ihrem Schnabel eifrig das Laub und schmiss das Zeug rechts und links durch die Gegend. Als ich dieser Stelle näher kam, hörte ich, dass der Vogel mit seiner Scharrerei nicht nachließ, obwohl er mich gehört haben musste. Ein sehr mutiger oder ein sehr hungriger Vogel. Normalerweise hörten sie mit dem Rumgescharre sofort auf, wenn ich näher kam und flogen eilends weg. Neugierig geworden blieb ich stehen und drehte ich mich nach diesem Vogel um. Dann sah ich alles, was es zu sehen gab in einem einzigen Moment:

Ich schaute in eine grau-braune Steckdosenschnauze, die aus dem Unterholz lugte. Und darüber ragten zwei eher possierliche Ohren aus dem Laub. Dann stand da dieses Wildschwein direkt am Wegrand. Es blieb stehen. Das Wildschwein schaute mich an und ich schaute das Wildschwein an.

 

Einschub

Ich habe in dieser Situation ein Naturgesetz kennengelernt:

Alles, was du an Tieren im Zoo sehen kannst, ist klein und niedlich, so lange zwischen dir und dem Tier ein Zaun oder eine Absperrung ist, die das Tier nicht überwinden kann. Sobald dieser Zaun oder diese Absperrung weg ist, siehst du das Tier in seiner natürlichen Größe. Und dieses Wildschwein, das hier drei Meter entfernt direkt vor mir stand, war ungefähr so groß wie ein Mammut.

Einschub Ende.

 

Ich hatte keine Ahnung, wie dieses Wildschwein jetzt drauf war. Aber von jetzt auf gleich war alles in mir auf Kampf gepolt. Ich wusste, dass ich im Wettlauf keinerlei Chance gegen dieses Schwein hatte. Also drehte ich mich so zu ihm, dass es mich in meiner vollen Breite sah. Ich machte mich groß und zum Kampf bereit. Ich schaute nach Waffen, die rumlagen - Stöcke, Steine – irgendwas. Aber wie das in solchen Situationen zu sein pflegt – es war nichts Brauchbares in Reichweite.

Ich stand da und guckte.

Das Wildschwein stand da und guckte.

Niemand machte ein Geräusch.

Dann raschelte es ziemlich im Unterholz.

Eine zu große geratene Erdnuss tauchte rechts neben dem Wildschwein auf. – Ein Wildschweinkleinkind, das unter anderen Umständen sicher sehr niedlich anzuschauen gewesen wäre. Es blieb direkt neben seiner Mutter stehen und schaute mich an.

Es raschelte weiter im Unterholz.

Eine zweite Erdnuss tauchte auf und postierte sich links vom Mama-Wildschwein.

Jetzt war Mama-Wildschwein von zwei Erdnüssen eingerahmt.

Und so standen wir da.

Und so beäugten wir uns.

Niemand sagte was.

Niemand rührte sich.

Ich wusste, dass Wildschweine sehr gefährlich sein können, wenn sie ihre Kleinen verteidigen müssen. Ansonsten wusste ich in diesem Moment so ziemlich gar nichts. Das hier konnte jetzt auf Leben und Tod gehen. Und ich war entschlossen, dass es sich um den Tod dieses Wildschweins handeln würde, nicht um meinen, wenn es zum Äußersten käme.

 

Und so standen wir da und guckten uns an in der dämmrigen Stille des Harzwaldes.

 

Nach gefühlten fünf Minuten – vermutlich waren es nur wenige Sekunden – drehte sich Mama-Wildschwein kurz entschlossen um und verschwand mit großen Sätzen im Wald. Die Erdnüsse taten es ihr nach. Ganz kurz sah ich noch Wildschweinpopos und Ringelschwänzchen, dann sah ich nur noch in den dunkler werdenden Harzwald. Das Knacken und Knacksen wurde immer leiser und entfernte sich immer mehr. Und dann hörte ich gar nichts mehr.

 

Ich drehte mich wieder um und ging runter ins Tal.

 

9

Nur zwei Wochen später war ich im Süntel unterwegs. Das ist ein Höhenzug in der Nähe von Hannover. Dort war ich längere Zeit abseits aller Wege unterwegs gewesen und machte jetzt Mittagsrast irgendwo mitten im Wald. Ich saß im Laub, an den Stamm einer dicken Buche gelehnt. Ich war gerade dabei, einen großzügigen Schluck aus meiner Flasche zu nehmen.Plötzlich hörte ich dieses charakteristische Krachen und Knacksen – ein Wildschwein näherte sich. Es war schon ganz nahe. Ich schaute mich suchend nach Waffen um, aber auch hier war keine zu sehen. Also schraubte ich rasch meine Flasche zu und griff sie am Hals – dem Wildschwein würde ich mit der Flasche eins überziehen und dann sehen, was sich ergab.

 

Es knackste und knackte immer lauter und auf einmal stand ein Fuchs direkt vor mir. Er hatte beim Rennen irgendwo anders hingeguckt und lief jetzt regelrecht in mich rein. Völlig geschockt blieb er starr vor mir stehen. Keine zwanzig Zentimeter entfernt von meinen Füßen. Und ich schaute ihn stumm an – die Flasche wie eine Keule in der Hand. Er stand da mit seinen riesengroßen Augen, und ich hatte den Eindruck, dass sich Durchfall in ihm bildete. Ich machte gar nichts. Ich saß nur schweigend da.

 

Irgendwann fasste er sich ein Herz (Sprachbild), drehte sich um und verschwand so schnell ihn seine kurzen Beine trugen, wieder im Wald. Es krachte und knackste noch eine Weile, dann waren nur noch die Vögel und die Insekten zu hören. Und der leichte Wind in den Baumwipfeln.

 

Ich machte mit meinem Mittagessen weiter.

 

10

Heute bin ich über fünfzig Jahre alt. Schon seit Jahrzehnten habe ich keinerlei regelmäßigen Kontakt mehr zu Tieren. Ich wohne in einer Stadtwohnung, die ich Katzen nicht zumuten will, denn in meiner Welt brauchen Katzen die Möglichkeit, raus zu gehen. Nur im Hochgebirge … ja, das Hochgebirge. Ich werde nicht ganz schlau draus, aber ich will es einfach mal erzählen. 

 

 

10a

Vor drei Jahren war ich in den italienischen Dolomiten in über 2.000 Metern Höhe auf einem Saumpfad unterwegs. Links von mir ging es ziemlich steil nach oben in Richtung Gipfel. Rechts von mir ging es ebenso steil nach unten. Wenn ich nach rechts unten guckte, dann kam da erst mal zwei- bis dreihundert Meter gar nichts. Weiter oben weideten zahlreiche Ziegen im kargen Gras und machten Baleng!-Baleng!

An einer Stelle, die nach links oben etwas flacher wurde, hörte ich auf einmal ziemlich lautes Baleng!-Baleng!, das sich rasch näherte. Ich schaute von meinem Weg auf. Und auch hier sah ich wie in extremer Zeitlupe alles in einem einzigen Moment:

 

Ein kapitaler Ziegenbock kam mit gesenktem Kopf und Kampfabsicht von oben auf mich zugesaust. Er wollte mich ganz offenbar den Berg runterstoßen. Machte er wahrscheinlich öfters. Vermutlich lagen unten im Tal – knapp dreihundert Meter tiefer - zahlreiche gebleichte Knochen irgendwelcher Touristen, denen er vorher begegnet war.

 

Ich sah sofort, dass es hier auf Leben und Tod ging. So ein Saumpfad ist dreißig, maximal fünfzig Zentimeter breit. Da kann man nicht weglaufen oder ausweichen. Ich schätzte das Gewicht und die Geschwindigkeit dieses Ziegenbocks ein. Von jetzt auf gleich war alles in mir kampfbereit. Ich war fest entschlossen, dass es den Tod dieses Ziegenbocks – nicht meinen – bedeuten würde, wenn er auch nur noch einen Schritt näher käme. Er würde ins Tal runterstürzen, nicht ich.

 

Im Reflex hob ich einen meiner Stöcke wie eine Lanze gegen den anstürmenden Bock und sagte halblaut:

„Don’t do it!“

Der Ziegenbock blieb wie angewurzelt stehen. Steine und Schotter lösten sich unter seinen Hufen und rollten mir über die Schuhe. Er schaute mich an, ich schaute ihn an. Dann machte er eine snobistische Ziegenbockgeste und ging wieder nach oben. Ganz so, als ob das von Anfang an sein Plan gewesen wäre. Ich ließ den Stock wieder sinken und ging weiter.

Und ich dachte nur:

„Testosteronüberschuss.“

 

10b

Vor zwei Jahren stieg ich im Österreichischen Pitztal von 1.500 Metern Höhe auf 1.800 Meter Höhe auf. Mein Weg führte durch dichten Wald, der nach oben immer lichter wurde. Ich kam an einer ausgedehnten Schafherde vorbei. Die Schafe kamen neugierig näher. Ich stieg stumm weiter nach oben. Die Schafe folgten mir über eine halbe Stunde lang.

 

10c

Zwei Tage später war ich in einem ganz anderen Teil des Gebirges unterwegs. In 2.200 Metern Höhe weidete eine Herde Pferde direkt am Wegrand. Als ich mich näherte, schnaubte die Leitstute und schaute nach mir. Ich blieb stehen und schaute nach der Leitstute. Die Leitstute kam zu mir her und prüfte, was ich denn für einer war. Ich wurde intensiv und ausgiebig beschnüffelt. Ein Teil der Herde machte es ihr nach. Dann ließ die Leitstute von mir ab und beschäftigte sich wieder mit den Disteln, die da überall wuchsen. Ich ging schweigend weiter. Die Pferde folgten mir noch eine Weile.

 

10d

Dieses Jahr begegnete ich meinen ersten Schafen in 2.500 Metern Höhe. Schon von weitem sah mich eine größere Herde und kam eilends näher. Als sie heran waren, sagte ich dem Leitschaf halblaut:

„Ihr verwechselt mich mit irgendjemandem.“

Die Schafe begutachteten mich und ich streichelte ihre Nasen. Dann gingen sie wieder weg und ich stieg weiter zum Gipfel auf.

 

10e

Zwei Tage später war ich in anderer Kleidung in einem ganz anderen Teil des Gebirges unterwegs. In 2.800 Metern Höhe hörte ich auf einmal das vertraute Baleng!-Baleng! hinter mir – Schafe, die sich eilends näherten. Ich drehte mich genervt zu ihnen um und sagte ihnen:

„Ja, habt ihr sie denn noch alle?!“

Die Schafe blieben stehen und guckten mich etwas bedröppelt an. Anscheinend wussten sie nicht, ob sie sie noch alle hatten. Dann stieg ich weiter nach oben auf, und sie folgten mir – Baleng!-Baleng! – viele hundert Meter.

 

10f

Beim Abstieg musste ich durch eine Kuhherde hindurch. Die Kühe sahen mich von weitem kommen und kamen gemächlich alle zum Weg. Als ich zu der Stelle kam, wo sie standen, blockierten sie den Weg bereits vollkommen. Sie begrüßten mich und schnupperten an mir rum. Ich ließ mir das eine Weile gefallen, dann wollte ich aber weiter. Die Kühe dachten aber gar nicht dran, mir Platz zu machen. Und so begann ich, an ihnen rumzuschieben und rumzudrücken:

„Geh da weg! Ich will da durch!“

Irgendwann ließen sie mich durch.

 

10g

Am nächsten Tag begegnete ich beim Aufstieg einem einzelnen Schaf. Ich machte gerade Rast, und es kam – Baleng!-Baleng! – neugierig um die Ecke.

„Hau ab“, sagte ich ihm, „ich hab‘ nichts für dich.“

Das Schaf sah so aus, als könne es das nicht so recht glauben.

Aber nach einer Weile trollte es sich dann.

 

10h

Drei Tage später war ich in einem ganz anderen Teil des Gebirges beim Abstieg, als ich auf einen Kilometer Entfernung eine Pferdeherde sah, die da weit verstreut auf den Wiesen graste.

Sobald das erste Pferd mich gesehen hatte, ging ein Ruck durch die Herde und wie auf gemeinsamen Befehl, begannen sie alle ganz gemächlich in Richtung Weg zu kommen.

Als ich mich der Herde auf dreihundert Meter genähert hatte, standen sie schon ziemlich dicht beieinander und rotteten sich auf dem Weg zusammen.

Und ich murmelte nur:

„Weitergehen! Weitergehen! Hier gibt es nichts zu sehen! Gehen Sie weiter! Es gibt nichts zu sehen! Weitergehen!“

Natürlich hörten die Tiere nicht auf mich. Natürlich standen sie dicht bei dicht, als ich zu der Stelle des Weges kam, wo sie alle standen. Sie standen absichtlich so, dass ich nicht durchkam. Die Leitstute begrüßte mich und begutachtete mich. Dann rieb sie ihre Nase an mir und gab den anderen ein Zeichen. Die kamen dann auf mich zu und schnupperten an mir rum.

 

Ich habe hier nur die markantesten Begegnungen mit Tieren im Gebirge aufgeschrieben. Es gab noch zahlreiche, ähnlich gelagerte Vorfälle.

Ich definiere mich selber als Wissenschaftler.

Deshalb habe ich wegen dieser Vorfälle bei meinen Wanderpausen viel Zeit damit verbracht, durch mein Fernglas Tiere überall im Gebirge zu zählen und ihr Verhalten zu beobachten, wenn sich Touristen näherten. Nicht einmal – nicht ein einziges Mal! – habe ich beobachten können, dass sich die Tiere bei irgendjemandem so verhielten wie bei mir. Nicht ein einziges beschissenes Mal! Und ich habe dutzende Male die Tiere beobachtet.

Ich habe meine Kleidung verändert, ich habe meine Gangart verändert, ich habe mein Aussehen verändert (Kapuze auf, Kapuze ab; … Jacke auf, Jacke zu, Halstuch an, Halstuch ab etc.), ich habe meinen Geruch verändert … ich konnte machen, was ich wollte – das Viehzeuchs kam sehr zuverlässig zu mir und wollte irgendwas von mir. Es kam nur zu mir und zu niemandem sonst.

 

Irgendwas findet das Viehzeuchs an mir, was es an anderen nicht findet. Und ich habe echt keine Ahnung, was das sein könnte. Ich füttere die Tiere nicht, und wie aus meinen Schilderungen ersichtlich sein sollte, bin ich auch kein ausgemachter Tierfreund.

 

Wenn das Viehzeuchs mich angreift, dann weiß es, dass es sein Leben riskiert. Wenn es mich in Ruhe lässt, dann lasse ich das Viehzeuchs in Ruhe. Und sie kommen alle – Schafe, Kühe, Ziegen, Pferde …

 

Ich kann es mir nicht erklären. 

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Kommentare: 1
  • #1

    Octavia (Sonntag, 06 September 2020 17:45)

    Test