… schwarz, schwarz, schwarz ist alles, was ich hab‘.
Vorhin habe ich mein schwarzes Portemonnaie auf meinem Schreibtisch nicht direkt wieder gefunden. Es lag zwischen ein paar schwarzen T-Shirts neben meiner schwarzen Gürteltasche unter meinem schwarzgehüllten Handy. Ja, mach‘ was dran – wenn ich mir die Dinge anschaue, die ich besitze, dann wird’s dunkel. Ziemlich dunkel. Und dann muss ich manchmal suchen.
Vor vierzehn Tagen gab mir ein Seminarteilnehmer den Spitznamen „Zorro“. Das konnte ich zunächst nicht zuordnen. Aber dann sagte er mir, dass ich die ganze Zeit in schwarzer Kleidung käme, und ich schaute an mir herunter. Und tatsächlich: Buchstäblich alle Kleidung, die ich am Körper trug, war schwarz. Und wenn ich was aus meinen Hostentaschen ziehe, dann ist das meistens auch schwarz – Brillenetui, erwähntes Portemonnaie, Handy, Stimmingtools … Nur meine Taschentücher sind nicht schwarz.
Und wenn ich mich auf meinem Schreibtisch umschaue, geht das weiter:
Tastatur, Maus, Monitor, Lampe, Uhren, Stimmingtools – alles schwarz. Der Schreibtisch selber ist aus dunklem Holz, aber nicht schwarz. Das Papier, auf das ich schreibe, ist nicht schwarz, und in den Büchern, in denen ich lese, heben sich die schwarzen Buchstaben angenehm vom weißen Papier ab. Aber sonst …
Kein Wunder, dass mich manche Menschen als „finster“ erleben.
Wie kommt das jetzt mit dem ganzen Schwarzen in meinem Leben? Wo bleibt die bunte Fröhlichkeit, die die Psychologen so empfehlen und die die Marketingstrategen so erfolgreich bewerben?
Macht Schwarz nicht depressiv?
Ist Schwarz nicht die Farbe der Totengräber und der dauerbetrübten Emos?
Eigentlich ist es ganz einfach:
Beinahe jede Farbe tut mir in den Augen weh. Wenn etwas schwarz ist, dann kann ich hingucken, ohne dass es mir weh tut. (Wenn die Dinge grau sind, ginge das auch, aber das ist mir meistens zu hell und zu öde).
Je älter ich werde, desto schwerer fällt es mir, Farbe zu ertragen. Andere Menschen freuen sich nach dem langen Winter auf den Frühling. Dann wird alles wieder grün. Und mich schaudert‘s: Wenn es hell ist, tut mir das Grün der Wiesen, Felder und Wälder derart in den Augen weh, dass ich lieber woanders hingucke. Da ich sehr gerne wandere, sorge ich immer dafür, dass eine extrem starke Sonnenbrille meine Augen vor Licht und Farbe schützt. Und wenn es irgendwie geht, schaue ich, dass ich mich in sehr kargen Landschaften aufhalte – im Hochgebirge, an der Küste, in Halbwüsten. Da kann ich sein, das tut meinen Augen nicht weh. Das ist Aufatmen für die Augen.
Ich liebe die Dämmerung und das Halbdunkel. Dann sind die meisten Farben für mich erträglich. Wenn ein Raum gut für mich sein soll, dann ist er abgedunkelt. Manchmal lese ich in Wohnungsanzeigen etwas von „sonnendurchflutet“ oder „Rausch aus Sonnenlicht“. Wie schön für die Menschen, die sowas mögen. Die hängen sich in solchen Wohnungen vermutlich neonfarbene Bilder an die Wände und durchziehen alles mit bunten Leuchtdioden – Hauptsache, es knallt in den Augen.
Ich sehe nicht fern. Denn, was da rauskommt, das ertrage ich nicht. Speziell die knallig bunten Farben. Ich meide Städte aus unterschiedlichen Gründen. Aber die farbige Werbung (Plakate, Schaufensterdekoration, Werbeschilder etc.) und die brutale Neonreklame des nachts würden schon reichen, um mich schier umzubringen.
Meine erste Amtshandlung, wenn ich einen neuen Computer oder ein neues Handy bekomme, ist, die ganzen Farben loszuwerden, die mich durch den Bildschirm brutal und distanzlos anspringen. Vor ein paar Jahren stattete mich der Konzern, für den ich arbeite, mit einem iPad aus. Ich wusste nicht, was mich erwartete, als ich es anschaltete. Deshalb traf es mich völlig unvorbereitet. Ich prallte entsetzt zurück:
„Davon kriegt man ja Augenkrebs!“
Ich hielt mir die Hand vor die Augen und drehte den Kopf weg. Meine Kollegen, die neben mir saßen, zuckten nur mit den Achseln. Dass Stiller ein Spinner ist, das wussten sie schon.
Die Bildschirme von Computer, Handys, Tablets – alles eine Bedrohung für mich. Diese Farben kann ich nur ertragen, wenn ich sie mir durch eine Schweißerbrille anschaue. Es ist mir vollkommen unbegreiflich, wie sowas schön oder auch nur angenehm finden kann. Also – weg mit diesen Farben!
Vor ein paar Jahren erhaschte einer meiner Kollegen zufällig einen Blick auf den Bildschirm meines Laptops. Da hatte ich die Farben so eingestellt, dass sie mir nicht weh taten.
„Sieht aus wie ausgekotzte Erbsensuppe!“ kommentierte er fachmännisch.
So ist meine Kleidung also fast durchgehend schwarz oder dunkelblau.
Ein wenig bunte Kleidung habe ich noch. Aber das sind alles Restbestände aus der Zeit, wo Psychotherapeuten mir nahelegten, mein Leben doch etwas bunter zu gestalten.
Eine Ausnahme gibt es:
Ich trage, wenn ich privat unterwegs bin, sehr häufig farbige Schuhe: Links einen weißen und rechts einen blauen. Das gefällt mir. Aber sonst …
Ich nehme an, dass Nichtautisten meine Art, in der Welt zu sein, unfassbar öde, langweilig und leer finden würden. Da gibt es nicht mal Farben.
Aber für mich ist das gut.
Schwarz sind (so ziemlich) alle meine Kleider. Und auch meine sonstige Habe ist ziemlich schwarz.
In mir ist es bunt und farbenfroh. Und das reicht mir völlig.
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