Im Internet bin ich häufig auf den Seiten von Künstlern unterwegs. Comickünstlern, um genau zu sein. Comics sind eines meiner Spezialinteressen, und viel von dem, was die Comicszene für mich interessant macht, findet im Internet statt.
Zum Jahreswechsel fällt mir relativ häufig dieses auf:
Die Künstler posten irgendein Bild, das sie gerade gezeichnet haben, um das alte Jahr zu verabschieden und das neue zu begrüßen. Und fast immer lese ich als Begleittext zu dem Bild, dass das vergangene Jahr total schrecklich war, und dass alle Hoffnung auf das kommende Jahr gesetzt wird.
Daniela Schreiter, autistische Comickünstlerin aus Berlin, postete Ende letzten Jahres:
„My annual review consists only of the sentence “Made it through the year without complete despair and that was tough enough” and that’s fine by me.”
- Mein Jahresrückblick besteht nur aus dem Satz „Ich hab’s durch das Jahr geschafft, ohne völlig zu verzweifeln, und das war schon schwer genug“ und damit komme ich gut klar. -
Ähnliches finde ich oft auf den Seiten von Tobias Vogel (Krieg und Freitag), Jeph Jacques (Questionable Content), Sarah Andersen (Scribbles), Angela Melick (Wasted Talent), Christian Schout (Sad but awesome) und wie sie alle heißen.
Fast immer lässt sich das zusammenfassen zu „Good riddance last year – all the hope for the coming year“ – Auf Nimmerwiedersehen letztes Jahr – voller Hoffnung für das kommende Jahr.
Da ich etliche dieser Künstler schon seit vielen Jahren im Internet begleite, fällt mir auf, dass all die neuen Jahre, in die so viel Hoffnung gesetzt wurde, dann, wenn sie rum sind, wieder die alten Jahre geworden sind, die man voller Abscheu in den Gulli kärchert: Good Riddance! Jedes Jahr. Oder wie der Sänger singt: Aaaaalle Jahre wieder …
Ich bin kein Künstler. Und mir steht kein Urteil zu über das Leben, das diese Künstler führen oder wie sie mit dem Jahreswechsel umgehen. Aber ich erkenne das Muster, den Rhythmus, die Regelmäßigkeit: Das alte Jahr war ganz furchtbar und grauenhaft, und ich bin froh, dass ich es irgendwie überstanden habe. Und jetzt setze ich alle Hoffnung auf das Jahr, das jetzt beginnt.
In meinem Leben wäre das verboten. Sobald ich so ein Muster der Vergeblichkeit entdecke, wird es angegangen. Da wird nicht gehofft, sondern klar analysiert und danach wird irgendwas gemacht: Wenn das letzte Jahr so furchtbar war – woran hat’s gelegen? Was habe ich dazu beigetragen, dass dieses Jahr so furchtbar wurde? Wie kann ich das verändern bzw. dafür sorgen, dass ich mich im kommenden Jahr nicht genauso sabotiere.
In meinem Leben gilt:
Wenn das Jahr furchtbar war, dann muss ich das zur Kenntnis nehmen. Wenn äußere Einflüsse dazu beigetragen haben, dass es so furchtbar war, dann ist es meine Aufgabe, Strategien zu entwickeln, dass ich damit besser umgehen kann.
Wenn es an mir lag, dass das Jahr so furchtbar wurde, dann ist es meine Aufgabe, meine unbewussten Verhalten-, Wahrnehmungs- und Erlebensmuster bewusst zu machen und sie zu verändern.
Das ist alles nicht leicht, ich weiß das.
Und ich kann euch versichern, dass es auch in meinem Leben verdammt schwere Jahre gegeben hat – reichlich!
Aber jammern hilft nicht.
Und hoffen hilft auch nicht.
Nur tun hilft was.
Es rettet uns kein höh’res Wesen
Kein Gott, kein Kaiser, kein Tribun
Uns aus dem Elend zu erlösen
Können nur wir selber tun.
Regelmäßige Leser meines Blogs wissen, dass es mich in meinem Leben etwas härter getroffen hat als viele andere, und dass mein Leben nicht das ist, was man als leichtes Leben bezeichnen kann. Das, was mir buchstäblich in die Wiege gelegt wurde – das wollt ihr nicht mal geschenkt haben.
In meinem Leben gilt:
Spiel dein Blatt!
Wenn das Leben ein Kartenspiel ist – neue oder andere Karte bekommst du nicht. Das Leben hat dir dein Blatt zugeteilt, und deine Aufgabe ist es jetzt, das beste daraus zu machen.
Ich habe in meinem Leben festgestellt:
Was immer dir auch widerfahren ist – du bestimmst, wie du damit umgehst. Du allein und sonst niemand.
Was immer du auch fühlst – du bist verantwortlich für das, was du fühlst und sonst niemand.
Was immer du auch denkst – du bist verantwortlich für das, was du denkst und sonst niemand.
Du kannst jammern – das ändert nichts an deinem Leben.
Du kannst dich beschweren – das ändert nichts an deinem Leben.
Du kannst dein Schicksal beklagen – das ändert nichts an deinem Leben.
Du kannst mir wortreich schildern, dass das Leben ungerecht ist – das ändert nichts an deinem Leben.
Du kannst anderen die Schuld geben – das ändert nichts an deinem Leben.
Du kannst hoffen, du kannst beten, du kannst wünschen, du kannst Blogtexte wie diesen lesen – das ändert alles nichts an deinem Leben.
In meinem Leben gilt:
Wenn dir dein Leben, so, wie es jetzt ist, nicht gefällt – tu was!
Und erzähl‘ mir nicht, das nichts geht.
Irgendwas geht immer.
Das alles gilt jedoch nur in meinem Leben. Wie das in deinem Leben ist, das kann ich nicht wissen. Da steht mir auch kein Urteil zu. Wenn dein Leben furchtbar und hoffnungslos ist, dann ist das vermutlich so. Und wenn man daran nichts machen kann, dann nehme ich das zur Kenntnis.
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