Wie ein Leuchtturm 2 – Die hässlichen Menschen

Ein Leuchtturm dient der Orientierung – hier soll es jedoch um was anderes gehen.

 

 

Wenn ich einen Menschen anschaue, dann streife ich mit meinem Blick über ihn wie ein Leuchtturm. Dann ist dieser Mensch für einen kurzen Moment in mir drin, und ich bin er. Mehr brauche ich nicht, um zu wissen, was das für ein Mensch ist. Das war schon immer so. Und die meisten erwachsenen Menschen, die ich zu sehen kriege, erlebe ich als hässlich. Ziemlich hässlich.

 

Auch das war schon immer so. Wenn die Verwandten meiner leiblichen Eltern bei uns daheim auftauchten, (was zum Glück nur selten vorkam), dann war das eine Horrorshow für mich: Unfassbar hässliche Glotzgesichter mit Stimmen, die hart und schrill waren wie  Glasscherben, bevölkerten auf einmal die Szene. Unsensible, laute, übergriffige Menschen. Und die waren häääääässlich! Und die gingen nicht weg. Die blieben – zumindest für ein paar Tage. Es war ein nicht endender Alptraum. Aber es gab sowieso keinen Erwachsenen, den ich nicht als unfassbar hässlich erlebt hätte.

 

Jahrzehnte später, als ich lernte zu differenzieren, was in Menschen wirklich vorgeht, begriff ich, was ich da sah, und mein Urteil über die hässlichen Menschen milderte sich erheblich ab: Die Menschen waren unglücklich. Je unglücklicher sie waren, desto hässlicher wurden sie. Sie hatten Erfahrungen gemacht, die so schlimm waren, dass sie die Kleinen in sich hatten abtöten müssen. Und sowas macht hässlich. Ziemlich hässlich. Je schlechter wir zu den Kleinen in uns sind, desto hässlicher werden wir. Das ist ein Naturgesetz. Hässlichkeit ist keine Frage des Alters. Hässlichkeit ist eine Frage der Lebendigkeit. Wenn ich mit meinen Kleinen keinen guten Kontakt habe, bin ich auch ziemlich hässlich.

 

Ich weiß nicht, wie viele Fotos von Schauspielern, Schönheitsköniginnen, Frauenidolen, Männeridolen etc. ich schon gesehen habe – zehntausende vermutlich. Lauter Leute, die in der öffentlichen Meinung als „schön“ oder „attraktiv“ gelten. Ich pralle davor (beinahe) immer entsetzt zurück. Und meine Kleinen murmeln lautlos:

„Hässlich, hässlich, hässlich, hässlich, hässlich!“

 

Das Kinderelend, das diese Menschen in sich tragen, springt ihnen buchstäblich aus den Augen. Diese Menschen sind derart hässlich, dass ein Spiegel zerspringen müsste, wenn sie hineinschauen. Und die NTs sehen das nicht. Sie sehen es einfach nicht! Im Gegenteil: Sie drucken diese Hässlichkeit auf großformatige Poster und hängen sich das an die Wände. Sie schauen sich das im Kino und im Fernsehen an. Sie nutzen diese Hässlichkeit für riesige Werbeplakate, mit denen sie ihre Städte pflastern. Sie bedrucken ihre Kalender damit. Beinahe jede Zeitschrift, die sie kaufen, hat diese Hässlichkeit auf dem Titelbild. Die ganze Werbung ist voll davon. Die NTs lieben diese abstoßend hässlichen Gesichter. Und ich habe mich Jahrzehnte gefragt:

„Sind die denn alle blind?!“

Hier ist die Antwort:

„Ja. Sie sind blind. Sie haben sich blind gemacht, um nicht fühlen zu müssen.“

 

Ich habe dazu Tests durchgeführt: Der gigantische Konzern, für den ich arbeite, gibt Unsummen für die Werbung mit Gesichtern aus. Gesichter, die für diese Werbekampagnen gecastet werden, durchlaufen zahlreiche Tests, damit tatsächlich nur die Gesichter zu Werbeträgern werden, die den meisten Kunden gefallen. Und ich finde sie allesamt abstoßend hässlich. Ohne jede Ausnahme. Daraus schließe ich: Die allermeisten NTs sind offenbar nicht in der Lage, das Kinderelend, das aus diesen Gesichtern springt, zu erkennen.

 

Ok. Habe ich akzeptiert. Aber ein falsches Lächeln sollten die NTs doch wenigstens erkennen können. Ich kenne beinahe keine Werbung mit Gesichtern, bei der das Lächeln nicht falsch ist. Also nahm ich mir drei Broschüren unserer damals aktuellen Werbekampagne, auf der das Lächeln der Menschen besonders falsch war. Damit ging ich zu verschiedenen Kollegen von mir. In einer ersten Runde fragte ich sie „ungestützt“, in einer zweiten Runde fragte ich sie „gestützt“:

Runde 1:

„Was fällt dir an diesen Fotos auf?“

Runde 2:

„Fällt dir auf, dass dieses Lächeln nicht echt ist?“

Ergebnis:

Nicht ein einziger Kollege war – selbst bei gestützter Befragung – in der Lage zu erkennen, dass dieses Lächeln falsch war. (Und ich hatte mir die krassesten Beispiele herausgesucht). Nicht ein einziger. Die NTs, die mich umgeben, sind blind für Kinderelend.

 

So lebe ich also in einer Welt, die bevölkert ist von erwachsenen Menschen, die ich zum größten Teil als hässlich oder sehr hässlich erlebe. Darüber hinaus erlebe ich sie als emotional weitgehend blind. Die Welt, in der ich lebe, ist bevölkert mit erwachsenen Menschen, die so leben, als wären sie Androiden, die aussehen wie Menschen. Oft fühle ich mich sehr, sehr alleine damit.

 

Ich bin auf dem falschen Planeten gestrandet.

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Kommentare: 4
  • #1

    Murmur (Samstag, 08 Juni 2019 17:52)

    Die Hässlichkeit kommt nicht vom Unglücklichsein.
    Oft sind es gerade diejenigen, welche in ihrer Kindheit viel Trauriges, Schreckliches erleben mussten, welche eine schöne, tapfere, edle Seele haben.
    Diese sind echt.
    Ihr Blick ist klar und mitfühlend.
    Ihre Seelen riechen frisch, sogar süss bisweilen.
    Doch was bringt Seelen zum stinken?
    Was macht sie hässlich?
    Gier zum Beispiel, auch Lüsternheit, welche auf Kosten anderer Befriedigung sucht.
    Stinkt nach faulen Eiern.
    Blinder Hass (nicht Wut), schwarz, stinkt nach Verwesung.
    Neid hat einen Eitergeruch.
    Für mich.
    Was ich gelernt habe dadurch:
    Halte deine Seele sauber.
    Lass diese Emotionen nicht Besitz von dir ergreifen.
    Nie. Unter keinen Umständen.
    Langsam komme ich noch auf etwas anderes:
    Wenn sie gestorben sind wird der Zustand ihrer Seelen zu ihrer Realität.
    Der einzigen Realität, die für sie erlebbar ist.
    Es lohnt sich, den Frieden in sich zu bewahren.
    Egal, welche Gerüche um einen herum herrschen...
    Es lebt sich besser damit.
    Und: Es gibt sie. Die Gutriechenden.

  • #2

    Stiller (Samstag, 08 Juni 2019 19:26)

    "Die Hässlichkeit kommt nicht vom Unglücklichsein"
    Vielleicht hätte ich mich klarer ausdrücken sollen:
    Hässlichkeit kommt von nicht bewältigtem, nicht integriertem Unglück. Wenn Unglück dazu führt, dass wir Teile von uns abspalten und ins Dunkle in uns verdrängen, dann werden wir hässlich.
    Es ist also nicht das Unglück, das hässlich macht, sondern unser Umgang mit dem Unglück.

    "Gier zum Beispiel, auch Lüsternheit, welche auf Kosten anderer Befriedigung sucht."
    Gier und Lüsternheit, Neid und Hass sind keine Entitäten, die selbständig in uns wirken. Es sind immer Teile von uns, die aus einer ganz bestimmten Motivation heraus gierig, lüstern, hassend oder neidisch sind. Finde diese Teile in dir und die alten Verletzungen, die sie mitbringen, und du wirst merken, wie all diese Destruktivität in dir immer weniger wird.

    "Wenn sie gestorben sind"
    In mir stirbt bitte niemand. Es wird bitte auch niemand in mir abgeschoben oder wieder zurück ins Dunkle gedrängt. (Klar: Das mit dem Abschieben kann ich oft nicht verhindern. Dann ist es meine Aufgabe, diesem Teil von mir nachzugehen, ihn aus dem Dunklen wieder einzuladen).
    Ich werde darüber noch einen Blogtext schreiben: Alles, was (in mir) ist, darf sein. Alles, was in mir ist, wird liebend von mir angenommen. Das ist meine Lebensaufgabe. Alles. Ohne jede Ausnahme.
    Dieses "Alles, was ist, darf sein." ist eines meiner tiefsten Prinzipien. (Das bedeutet nicht, dass alles, was in mir ist, handlungswirksam werden darf. Aber es darf sein).

    "Es lohnt sich, den Frieden in sich zu bewahren."
    Als ich aus meiner Kindheit und Jugend heraus kam, gab es in mir buchstäblich keinerlei Frieden, den man hätte bewahren können. Ich bin zutiefst (unterstrichen) traumatisiert. Ich komme aus einer Welt der absoluten Vernichtung. (Wenn deine leiblichen Eltern viele, viele Male versuchen, dich im Säuglingsalter zu ermorden, dann bleibt nicht mehr viel Frieden in dir übrig). In meiner Welt gilt:
    "Es lohnt sich, Frieden in seinem Inneren zu schaffen."
    Wenn du diesen Frieden in dir geschaffen hast - so meine Erfahrung - dann herrscht dieser Frieden in dir völlig unabhängig von dem, was um dich herum ist.

    Vielen herzlichen Dank für deine Rückmeldung.



  • #3

    Murmur (Sonntag, 09 Juni 2019 08:55)

    >>In meiner Welt gilt:
    "Es lohnt sich, Frieden in seinem Inneren zu schaffen."<<

    Danke für Offenheit.

    Frieden bauen im Innern ist eine grosse Aufgabe.
    Mögest du jederzeit passende Bausteine finden.

    Für dich:
    Ring the bells that still can ring
    Forget your perfect offering
    There is a crack in everything
    That's how the light gets in.

    https://www.youtube.com/watch?v=mX2xIW7Oa9c

    : )

  • #4

    Stiller (Sonntag, 09 Juni 2019 17:14)

    "The birds they sang
    At the break of day
    Start again
    I heard them say
    Don't dwell on what
    Has passed away
    Or what is yet to be"

    Nicht mein Weg.